Lohnt sich der Kauf von Vorsorgewohnungen noch?
Michael Scherling am 15. Februar 2011
Jeder der vor rund 5 Jahren in Wien eine Vorsorgewohnung gekauft hat, wird sich freuen. 2006 und 2007 war die Lohnentwicklung wegen der guten Wirtschaftslage erfreulich und die Kreditzinsen nicht zu hoch. Das führte zu den ersten Preissteigerungen. Dann kamen die Jahre 2008 bis 2010, in denen wohlhabende Österreicher Wertpapieren und anderen Anlagen den Rücken kehrten und ihr Geld in Immobilien steckten. Wieder stiegen die Preise.
Wie schaut die Situation aus heutiger Sicht aus?
Seit 1986 sind die Preise von Wiener Eigentumswohungen um knapp 200% gestiegen (Quelle: Prof. Feilmayr, TU Wien). Solche Zahlen sehen Sie bei den Anbietern von Immobilien sicher öfter. Aus den Grafiken ist aber auch schön erkennbar, daß etwa 1992 bis 2005 die Preise um rund 3% gefallen sind. Nach Inflation ist der Verlust noch viel gravierender. Verlassen Sie sich also nicht auf ewig steigende Werte oder einen perfekten Inflationsschutz.
Wenn wir die Vorsorgewohnungen aus den 80er-Jahren betrachten – das ist eine der wenigen Immobilienkategorien, die kaum im Preis gestiegen ist. Warum: weil sie nicht mehr schön sind und schwer zu renovieren. Wer sagt, daß die aktuell gebauten Wohnungen in 20 Jahren irgendjemand attraktiv findet? Bei Altbauten schaut die Sache viel besser aus.
- Steuerliche Effekte: Verschiedene Kosten können steuermindernd geltend gemacht werden. Es handelt sich aber eher um einen Steuerverschiebungseffekt als um einen Steuerminderungseffekt.
- Liebhabereibetrachtung: wenn nach 20 Jahren kein Gesamtüberschuss vorhanden ist, müssen alle Steuervorteile rückgeführt werden. Nachdem die Mietrenditen oft nur noch 2 – 3% betragen, führt eine Steigerung bei den Kreditzinsen sehr schnell zu Liebhaberei.
- Leerstandsrisiko: 2 – 3 Monate Leerstand pro Jahr können das steuerliche Modell ebenfalls kippen und zu Liebhaberei führen.
- Rechtliche Situation: auf Immobilien spezialisierte Rechtsanwälte erzählen mir, daß sie nie im Leben selbst Eigentum in Österreich erwerben würden. Das Mietrecht ist einfach zu vermieterfeindlich.
- Lagerisiko: die folgenden Beispiele gab es wirklich: Bordell in der gleichen Straße errichtet – minus 25% Immobilienwert, Schnellimbissladen im selben Wohnblock – minus 50% (v.a. wegen der Ölgerüche).
- Arbeitsaufwand: viele Mehrfach-Immobilienbesitzer (die beruflich sehr erfolgreich sind) erzählen mir, daß sie 5 – 10 Stunden in der Woche mit der Verwaltung Ihres Besitzes beschäftigt sind. Wenn sie diese Zeit in ihren Hauptberuf investieren würden, wäre der Ertrag wahrscheinlich höher.
Fazit: Hohes Risiko, lange Bindung, wenig Ertragsmöglichkeit und viel Arbeitsaufwand. Es gibt wunderbare Möglichkeiten, in Immobilien zu investieren, Vorsorgewohnungen gehören nur in Ausnahmefällen dazu.