China!
Michael Scherling am 31. Juli 2011
Die Wissenschaft des “Behavioral Finance” sagt uns, daß wir keine rationalen Wesen sind, sondern in vielen Bereichen sehr seltsam reagieren. So ist es auch bei Veränderungen. Wir nehmen “Megaschocks” wie 9⁄11 oder Fukushima viel stärker wahr als “Megatrends” (Klimaveränderung, Umweltverschmutzung, Dollarverfall).
So wie der Frosch, der in heisses Wasser geworfen, sofort herausspringt, aber bei langsam ansteigender Temperatur verkocht und stirbt, verhalten auch wir uns.
China ist ein solcher “Megatrend”, der von uns tiefenpsychologisch bedingt, zu schwach wahrgenommen wird.
Die westlichen Medien sind weitgehend uninformiert und berichten etwa über eine chinesische “Immobilienblase”, die sich ähnlich der US-Krise entwicklen soll. Bei näherer Betrachtung stellt sich dieser Bericht als genauso falsch dar wie die meisten anderen. Hier einige Beispiele:
- “Chinesen können nur kopieren, aber nichts erfinden”: Eine Nation, die das Schiesspulver und vieles Anderes erfunden hat und jährlich 1,5 Millionen Absolventen technischer und wissenschaftlicher Studienrichtungen hervorbringt, wird in Zukunft gewaltige Dinge erforschen. Im Jahr 2009 wurden bereits 280.000 Patente angemeldet.
- “Die Kommunisten verstehen nichts von Wirtschaft und werden scheitern”: Das Gegenteil ist wahr — die besten Ökonomen weltweit sitzen in der Schweiz und in China! Die schlechtesten in den USA und Russland. China kann nachteilige ökonomische Entwicklungen (wie zu stark steigende Immobilienpreise) sehr schnell korrigieren, während unser politisches System alle wichtigen Veränderungen verhindert (Pensionsreform, Schuldenreduktion ‚.…).
- “Das Wirtschaftswachstum der Chinesen wird einbrechen, weil wegen der Ein-Kind-Politik zu wenige Junge nachkommen”: Das Argument stimmt erst ab etwa 2030. Vorher ist die Konstellation ideal: Wenig Aufwand für Ausbildung und viele Menschen im erwerbsfähigen, produktiven Alter.
China wird die Qualitätsleiter weiter hinaufsteigen und immer bessere Produkte und Dienstleistungen herstellen, was eine gewaltige Herausforderung für unsere Unternehmen darstellt.
Dennoch gibt es auch Chancen für uns: Vor 40 Jahren hat Japan unsere Märkte mit Produkten überschwemmt, aber den eigenen Markt für Importe abgeschottet. China ist fairer: Viele westliche Konzerne (Volkswagen, Nestle etc.) verdienen gutes Geld in China und der aktuelle Boom in Deutschland (und auch Österreich) wäre ohne China undenkbar. Der Export nach Asien sichert viele österreichische Arbeitsplätze und solange wir kluge, engagierte und innovative Menschen in unserem Land haben, werden wir mit den Chinesen mithalten können.
Dazu ein Buchtipp: “Das neue Asien” von Stephen S. Roach, Yale University
Fazit: Bei Themen wie Menschenrechten, Unterstützung von Diktatoren und anderen politischen Entscheidungen kann man China nicht zustimmen, aber aus rein ökonomischer Sicht hat das Land in den letzten 30 Jahren alles richtig gemacht und ist besser aufgestellt als die westlichen Staaten. Für private Anleger ergeben sich tolle Chancen, aber die Chinesen werden unsere Wirtschaft in den nächsten 20 Jahren vor gewaltige Herausforderungen stellen.