Der Ölpreis!
Michael Scherling am 11. April 2012
Der Anstieg des Ölpreises ist nicht zu übersehen: Nicht nur an den Tankstellen werden wir täglich verschreckt, auch die Medien greifen sehr gerne dieses “Schockthema” auf, das immer für Schlagzeilen gut ist und damit Geld bringt.
Tatsächlich machen die Ausgaben für Benzin und Diesel aber nur wenige Prozentpunkte an den Gesamtausgaben der Österreicher aus. Wenn man die Pendler ausnimmt, wird dieses Thema aus dieser Sicht also eher überschätzt.
Also Entwarnung? Leider nein.
Schon die beiden Ölkrisen vor rund 30 Jahren haben gezeigt, daß stark steigende Preise die Wirtschaft in eine Rezession stürzen können. Warum? Zuerst leidet das Transportgewerbe, dann auch alle anderen Firmen, die die gestiegenen Preise nicht in Form von höheren Produktpreisen weitergeben können (z.B. wegen langfristiger Verträge oder weil die Konkurrenzsituation keine Erhöhung zulässt). In der Folge kommt es zu Konkursen und Entlassungen. Damit steigt die Arbeitslosenrate, die Bevölkerung kann wiederum weniger konsumieren, was die Wirtschaft weiter bremst und in eine Rezession stürzen kann.
Glücklicherweise hat sich seither die “Energieintensität” stark reduziert. Steigende Ölpreise wirken sich bei weitem nicht mehr so heftig aus. In fragilen ökonomischen Situationen wie derzeit können die Auswirkungen dennoch fatal sein:
Die hohen Ölpreise waren nicht Ursache, aber Mit-Auslöser der Finanzkrise von 2008. Auch 2010 und 2011 spitzten sich die Krisen zu, als die Notierungen Höchststände erreichten. Warum? Wenn die Konsumenten wegen hoher Kreditraten und stagnierender Löhne knapp bei Kasse sind, bringt ein stark steigender Ölpreis das Fass zum Überlaufen.
Zusätzlich hängen ganze Staaten vom schwarzen Gold ab: In den Achzigerjahren wurde halb Lateinamerika zahlungsunfähig und 1998 Russland, als ein Fass Öl nur 10$ kostete. Nun ist es umgekehrt: die ölimportierenden Länder gehen in Konkurs, der Schock in der Leistungsbilanz führt zu Schulden- und Bankenkrisen.
Ab wann müssen wir uns aktuell Sorgen machen?
Ein weiterer Anstieg um rund 10% dürfte die Schmerzgrenze überschreiten und einige Staaten in Bedrängnis bringen.
Was könnte der Auslöser sein? Nachdem in USA, Japan und Europa der Verbrauch sinkt, ist zusätzliche Nachfrage vermutlich auf kurze Frist nicht der Grund. Problematisch ist aber die Angebotsseite, vor allem durch den Iran-Konflikt.
Spannend wird jedenfall zu sehen, wie mächtig ein US-Präsident wirklich ist: Obama weiss daß seine Wiederwahl auch vom Ölpreis abhängt, er wird daher alles in Bewegung setzen, um die Preise bis Herbst sinken zu lassen. Ein Angriff Israels auf den Iran scheint in diesem Zusammenhang unwahrscheinlich.
Fazit: Steigt der Ölpreis nochmal 10%, leidet die Weltwirtschaft und die Eurokrise könnte sich wieder verschärfen. Die aktuell niedrige Nachfrage spricht aber nicht dafür.