Die armen Spanier
Michael Scherling am 3. Mai 2012
Trotz einiger positiver Entwicklungen, die der Euro gebracht hat, gibt es auch sehr negative Konsequenzen. Eine davon sieht man in Spanien:
Vor der Euroeinführung zahlten die Spanier zwischen 6 und 10% für Kredite, danach 3 – 5%, was zu einer übermässigen Verschuldung führte. Immobilien auf Pump zu kaufen entwickelte sich zum Volkssport. Der Zementverbrauch stieg um 250% (um jetzt wieder um 80% zu sinken).
Die Immobilienpreise sind seit dem Höhepunkt um rund 30% gefallen, was zwar schon schlimm ist, aber es kommt noch ärger: egal mit welchen Experten man spricht, jeder geht von einem weiteren Preisverfall von rund 20 – 30% aus. Viele Spanier konnten ihre Wohnungen und Häuser bisher nicht verkaufen, weil sie illegal errichtet oder mit Schwarzgeld finanziert wurden oder weil weit und breit kein Käufer zu finden ist. Schrumpft die Wirtschaft weiter, müssen auch diese Immobilien (zwangs-)verkauft werden, was die Preise weiter sinken lässt.
So wie auch Grossbritannien hat Spanien kein funktionierendes Wirtschaftsmodell mehr. 25% der Bevölkerung ist arbeitslos (50% der Jugendlichen!).
Weil eine Abwertung der Währung als Ausweg nicht offensteht, müssen Preise und Löhne um rund 20% fallen, um wieder international wettbewerbsfähig zu werden. Wie man in Griechenland sieht, funktioniert das in der Praxis nicht.
Ohne mutige Schritte ist Spanien in spätestens 3 Jahren bankrott und gefährdet unsere gemeinsame Währung.
In den nächsten Jahren werden viele Spanier auswandern, weil die Perspektive im eigenen Land fehlt. Das ist allerdings keine neue Entwicklung: Im 19.Jahrhundert wanderten jahrzehntelang 10% der Bevölkerung aus vielen Ländern aus (Irland, Schweden, Deuschland, …).
Positiv zu vermerken ist:
1. vor der Krise hatten die Spanier fast keine Staatsschulden
2. die Europäische Zentralbank hat viel Geld zur Verfügung gestellt und damit Zeit erkauft
Aber: Anders als Italien oder Japan ist Spanien nicht vorrangig bei den eigenen Bürgern verschuldet, sondern im Ausland:
Die private und öffentliche Auslandsverschuldung ist grösser als die von Griechenland, Portugal, Irland und Italien zusammen!
Die Lösung des Dilemmas besteht aus 2 Aktionen:
1. Die Europäische Zentralbank muss massiv spanische Staatsanleihen kaufen, um den Spaniern die notwendige Zeit zu geben, um ein zukunftfähiges Wirtschaftsmodell aufzubauen.
2. Ein gewaltiges europäisches Investitionsprogramm muss schnellstmöglich gestartet werden. So wie Griechenland in seine Häfen, Landwirtschaft und Tourismus investieren sollte, so müsste man auch in Spanien vorgehen: in die Stärken des Landes investieren!
Woher soll das Geld kommen? Im Wesentlichen aus EU-Krediten, egal wie das zuständige Instrument genannt wird. Ökonomische Studien zeigen, daß Kredite in diesem Fall nicht nur der einzige Weg sind, sondern auch langfristigen Nutzen für ganz Europa schaffen.
Fazit: Die europäischen Politiker und Zentralbanker müssen visionär und entschlossen handeln, um ein Zusammenbrechen Spaniens zu verhindern. Wenn Menschen vor dem Abgrund stehen, sind sie zu gewaltigen Taten bereit — die Rettung Spaniens ist möglich!