Das verrückte menschliche Gehirn
Michael Scherling am 8. Mai 2013
Der Nobelpreisträger Daniel Kahnemann bringt in seinem neuesten Buch “Schnelles Denken, langsames Denken” erschreckende Beispiele, wie irrational unser Gehirn funktioniert. Eines davon möchte ich Ihnen nicht vorenthalten:
Mehrere Bewährungsrichter hatten Anträge auf bedingte Entlassung zu prüfen. Im Schnitt wurden 35% genehmigt.
Und jetzt halten Sie sich fest: Nach dem Essen stieg der Prozentsatz auf 65%.
Kurz vor der nächsten Mahlzeit sank die Zustimmungsrate auf Null!!!
Wer also einem hungrigen Richter gegenübersitzt, kann gleich wieder in die Zelle gehen (oder vorher einen Schokoriegel vorbeibringen).
Wenn also selbst Richter, die man noch als die vernunftbegabteste Gruppe ansehen könnte, solche Verhaltensweisen an den Tag legen, wie seltsam verhalten wir anderen uns erst?
Ich möchte Ihnen in den nächsten Monaten einige Beispiele bringen, welche psychologisch bedingte Fehler wir im Umgang mit Geld machen:
Starten wir mit dem sogenannten “Home Bias”. Die wenigen Österreicher, die Aktien kaufen, erwerben hauptsächlich heimische Unternehmensanteile in der Illusion, diese zu kennen. Nachdem man ja nicht tausende Firmen beobachten kann, scheint das auf den ersten Blick sinnvoll zu sein.
Ist es aber nicht: Der österreichische Aktienmarkt bildet rund 0,5% des Weltmarktes ab, man verzichtet also auf Risikostreuung. Zusätzlich ist man ohnehin vom heimischen Pensionssystem und Arbeitsmarkt abhängig, warum also auch noch vom Aktienmarkt?
Das Ergebnis sieht man nicht nur, wenn man Immofinanz oder Meinl im Depot hat, sondern auch wenn man sämtliche heimische Firmen gekauft hätte: Der ATX (Index der größten heimischen Unternehmen) steht bei rund 2.400 Punkten, war aber schon auf 5.000. Im Gegensatz dazu hat sowohl der deutsche (DAX) als auch der US-amerikanische (Dow Jones) ‑Index mit heutigem Tag den höchsten Stand der Geschichte erreicht.
Viel zu wenige Österreicher profitieren davon. Ein Grund dafür ist eben dieser “Home Bias — Effekt”.
Fazit: nur wenn man die Schwächen des eigenen Gehirns kennt, kann man gut im Geldanlegen werden. Oder man sucht sich einen guten Berater.