Wo Erfahrungswerte nicht helfen
Michael Scherling am 14. Oktober 2013
Erfolgreich Geld anlegen kann man nur dann, wenn man sich ein wenig mit Psychologie und da vor allem mit den Irrationalitäten des menschlichen Gehirns auseinandersetzt.
Dabei erkennt man sehr schnell, dass unser Hirn definitiv nicht für Geldvermehrung geschaffen ist.
Warum?
Einer der Gründe ist, dass wir darauf programmiert sind, “aus Erfahrungen” zu lernen. Diese Vorgehensweise hat sich seit Jahrtausenden sehr bewährt: Die Art wie in den letzten 5 Jahren Bisons erlegt wurden, war wohl auch für die nächsten 5 Jahre relevant.
Auch heute noch ist die Strategie in den meisten Bereichen effizient. Wenn ich beim Autofahren alle erlebten Situationen berücksichtige, werde ich vermutlich auch in Zukunft unfallfrei unterwegs sein.
Leider gilt das so ganz und gar nicht bei der Geldanlage.
Wir orientieren uns dabei nämlich automatisch an den letzten 3 – 5 Jahren, selektieren die erfolgreichsten Strategien und meinen, dass diese auch in den kommenden 3 – 5 Jahren funktionieren werden. Genau das ist aber nicht der Fall, leider trifft meist genau das Gegenteil zu!
Beispiele: Im Jahr 2000 kauften viele Menschen Aktien, weil sie ab 1995 stark gestiegen waren. Bis 2003 gab es dann an den meisten Märkten 50% Kursverlust. 2007 erwarben viele Österreicher Immobilienaktien, weil sie lange Zeit 5 – 8% pro Jahr abwarfen. 2012 wiederum war Gold die Anlage im Fokus.
Alles ging schief. Was lernen wir daraus?
Ein wenig Nachdenken ist schon nötig. Beim Sparbuch sind die Zusammenhänge noch einfach: die Verzinsung war in der Vergangenheit brauchbar, es ist aber leicht erkennbar, dass die Zinsen so niedrig sind, dass nach Inflation nichts übrig bleiben wird.
Bei Immobilien, Fonds, Anleihen etc. ist das viel komplizierter. Der erste Schritt zum Erfolg ist den Grund zu kennen, warum eine Geldanlage in den letzten Jahren ertrag bringend war. Schritt 2 ist dann, genau zu überlegen, ob diese Voraussetzungen für die nächsten Jahre weiterhin zutreffen.
Mit dieser Vorgehensweise kann man etwa Folgendes erkennen: Die Wiener Immobilienpreise sind von 2008 bis 2012 um 6% pro Jahr gestiegen, weil viele Österreicher aus Krisenangst Wohnungen gekauft hatten. Die, die das wollten und konnten, haben aber bereits gekauft und die Angst vor wirtschaftlichen Zusammenbrüchen wird immer geringer. Somit kann man die Vergangenheits-Wertentwicklung nicht in die Zukunft projizieren.
Ein zweiter Grund für steigende Preise waren die niedrigen Kreditzinsen. Wie schon in mehreren Artikeln beschrieben werden diese noch sehr lange tief bleiben. Dieser Antriebsfaktor für Immobilienpreise bleibt also genauso erhalten wie die (noch) wachsende Bevölkerung. Somit sind zwar 6% jährlich nicht mehr möglich, aber 3% schon.
Ein anderes Beispiel: Viele Banken empfehlen immer noch Produkte, die nur deshalb gut waren, weil Anleihen (Staats- und Unternehmensanleihen) stabile Erträge abwarfen. Das wird künftig nicht mehr in dieser Form möglich sein, weil das Zinsniveau dafür viel zu tief ist. Vorsicht also bei dieser Anlageklasse! Die Erträge werden sich nicht wiederholen.
Fazit: Einen guten Berater in Geldangelegenheiten erkennen Sie daran, dass er Ihnen nicht einfach nur gut gelaufene Produkte empfiehlt, sondern erklären kann, warum sie toll waren und ob bzw. warum die Voraussetzungen dafür auch in Zukunft gegeben sind.