Ist die Europäische Zentralbank verrückt geworden?
Michael Scherling am 25. Januar 2015
Die südländischen Vertreter in der Europäischen Zentralbank mit einem Italiener an der Spitze haben sich also durchgesetzt: nun kauft die EZB auch Staatsanleihen.
Was will sie damit erreichen?
1. Höhere Inflation
2. Mehr Exporte durch einen niedrigeren Euro
3. Wohlstandseffekte durch höhere Wertpapier- und Immobilienpreise
4. Mehr Kreditvergabe durch die Banken soll die Wirtschaft ankurbeln
zu 1. Zum ersten Punkt ist die große Frage ob höhere Inflation wünschenswert ist. Grundsätzlich nein, denn sie führt zu einer schleichenden Enteignung von Sparern. Die EZB argumentiert, dass einer gefährlichen Deflation vorab entgegengewirkt werden muss. Die aktuell sinkenden Preise resultieren aber vor allem aus niedrigeren Ölpreisen und sind daher überhaupt nicht gefährlich. Auch wird die EZB nicht erfolgreich sein: solange die Ölnotierungen nicht steigen, wird auch die Inflation kaum steigen.
zu 2. 2014 sank der Euro wegen besserer wirtschaftlicher Aussichten und höherer Zinsen in den USA. Dadurch werden europäische Exporteure am Weltmarkt konkurrenzfähiger, was zusätzliches Wachstum bedeutet. Dieser Effekt ist aber auch ohne die Staatsanleihekäufe stark genug.
zu 3. Wegen der dauerhaft niedrigen Zinsen steigt der Wert von Wertpapieren und Immobilien. Durch die aktuelle EZB-Aktion haben Banken mehr Geld zur Verfügung, was zu weiter steigenden Preisen in den beiden Anlageklassen führen sollte. Fraglich ist, ob es nicht zu Übertreibungen und Blasen kommt. Zusätzlich werden eher die Vermögenden gefördert, nicht aber breite Bevölkerungsschichten, die für einen nachhaltigen Aufschwung so wichtig wären.
zu 4. Die Banken haben schon bisher ausreichend Geld von der Zentralbank bekommen, wegen der hohen Altschulden und der schlechten Aussichten gibt es aber kaum Firmen und Privatleute, die Kredite haben wollen. Regulatorische Vorschriften erschweren den Banken zusätzlich die Kreditvergabe an Klein- und Mittelbetriebe, die für einen Aufschwung extrem wichtig wären. In Summe wird also nicht viel erreicht werden.
Dennoch sind die Aussichten für Europa für 2015 positiv: Seit 1970 erholte sich die Weltkonjunktur jedes Mal deutlich, wenn der Ölpreis um die Hälfte fiel und mindestens 6 Monate niedrig blieb. Durch den tiefen Eurokurs werden die Exportländer Europas zusätzlich profitieren. Das hat aber kaum etwas mit den Aktionen der Europäischen Zentralbank zu tun.
Fazit: Hoffen wir, dass die Staatsanleihekäufe der EZB keinen Schaden anrichten. Besonderer Nutzen ist nicht zu erwarten.