Die falsche Sicht auf China
Michael Scherling am 16. November 2015
Seit ich im Jahr 2003 eine Studie mit dem Namen “Vergleich der Transformation des Kommunismus in Russland und China” gelesen habe, beschäftige ich mich intensiv mit dem Milliardenvolk und seiner Ökonomie.
Schon damals war ersichtlich, dass die Russen ziemlich alles falsch gemacht hatten und die Chinesen beinahe alles richtig (ökonomisch, nicht politisch!).
Dennoch wurde auch 2003 in den Medien nur Negatives berichtet. Grund waren damals die ineffizienten riesigen Staatsbetriebe, die mit westlichen Firmen in keiner Weise mithalten konnten.
Wenn man im Jahr 2015 Zeitungen liest oder im Fernsehen Berichten lauscht, bekommt man immer noch den Eindruck, dass alles kurz vor dem Zusammenbruch steht und diesmal wegen der Größe der chinesischen Wirtschaft sogar die ganze Welt in Mitleidenschaft gezogen wird.
Tatsächlich ist ein Masterplan erkennbar: 3 Jahrzehnte lang wurde eine gewaltige Exportindustrie aufgebaut und eine moderne Infrastruktur (Straßen, Bahnen, Kraftwerke etc.) errichtet. Diese Entwicklung ist nun zu Ende. Die chinesischen Wirtschaftslenker haben das erkannt und setzen nun auf eine Stärkung des Inlandskonsums, besseren Umweltschutz und Zukunftstechnologien.
Erste energieautarke Städte sind bereits im Entstehen, noch beeindruckender ist aber die Wohlstandsentwicklung:
+ Die Einzelhandelsumsätze stiegen in den letzten 12 Monaten um 11%(!!!).
+ Die Lohnerhöhungen betrugen in diesem Zeitraum je nach Branche zwischen 5 und 10%.
+ Die Inflation, die in den 90er Jahren ein Problem war, liegt nur noch bei 1,3%.
+ Die Sparquote der Chinesen ist 40% — in den USA nur 5%.
+ Kreditfinanzierter Konsum existiert beinahe nicht.
+ Die Zentralbank hat jede Menge Handlungsspielraum (Zinssenkungen, riesige Devisenreserven etc.).
10% Wachstum, die es lange Jahre gegeben hatte, sind natürlich in Zukunft unmöglich, weil die Wirtschaftsleistung bereits so hoch ist. 4 – 7% werden es aber auch in den nächsten 5 Jahren sein.
2013 und 2014 waren die Zeitungen voll von Berichten über “Geisterstädte in China” und eine schreckliche “Immobilienpreisblase”.
Wahr ist, dass die Wohnungspreise 2014 ein paar Prozentpunkte gesunken sind. Inzwischen steigen sie aber wieder und die Leerstände gehen zurück — eine ganz normale Entwicklung im Wirtschaftszyklus. Es gab kaum kreditfinanzierte Käufe und bei vielen Millionen Menschen die vom Land in die Städte ziehen, stehen Wohnungen nicht sehr lange leer.
Richtig ist, dass die Industrie kaum wächst und Exporte und Importe sinken. Genau das ist aber von der Regierung gewollt und bei einem immer noch gewaltigen Wirtschaftswachstum von 4 – 7% unproblematisch.
Warum berichten unsere Medien also so negativ und falsch über das fernöstliche Land?
1. Kaum ein Journalist versteht die ökonomischen Zusammenhänge. Eher wird gegenseitig Unsinn abgeschrieben.
2. Wie üblich, müssen Medien 3 Mal mehr Negatives berichten als Positives, um der menschlichen Psyche zu entsprechen, die schlechte Nachrichten dreimal so stark wahrnimmt wie gute. Zeitungen wollen ja verkauft werden…
Fazit: Die Chinesen haben Erstaunliches in den letzten 40 Jahren geleistet und vieles spricht dafür, dass man den fernöstlichen Wirtschaftslenkern mehr zutrauen kann als unseren.