Wieder einmal Panik
Michael Scherling am 11. Februar 2016
Vor 10 Monaten stand der Index der deutschen Aktien bei 12.000 Punkten, heute bei 8.800, also ein Verlust von 27%. In Brasilien, China brachen die Börsen noch viel mehr ein und sogar einige Anleihesegmente wiesen zweistellige Minuserträge auf.
Ist es angebracht, panisch zu werden?
Besonders spannend finde ich, dass sämtliche “Begründungen” für diese Entwicklungen auch bei den Börse-Höchstständen vor 10 Monaten schon bekannt waren:
- China: seit 2 Jahren weiß man, dass die chinesische Wirtschaft von Industrie auf Dienstleistungen umgebaut wird. Dass nun einige Produzenten leiden, weniger exportiert wird und die Währung fällt, ist ein ganz normaler Prozess. Ein Wachstum von immer noch 4 – 5% ist das Vielfache des US- und Europa-Wachstums. Zusätzlich profitieren gerade China und unser Kontinent von tiefen Rohstoffpreisen.
- Faule Kredite: 13% notleidende Kredite in Italien, 10% in China und strauchelnde Banken sind kein schöner Zustand, aber auch das ist keineswegs neu. Die Zentralbanken kennen diese Faktoren genau, die Verhandlungen für eine Lösung laufen seit vielen Monaten.
- Wachstumseinbruch in den USA: Nordamerika hat seit 2009 sehr vom Schieferölboom profitiert. Ein guter Teil des Wirtschaftswachstums hatte hier seinen Ursprung. Bei Ölpreisen wie derzeit dreht sich die Entwicklung um. Verstärkt wird sie durch den schon sehr langen Konjunkturaufschwung, der nun zu Ende ist. Zusätzlich leiden die USA unter dem starken Dollar, der Exporte erschwert. Alles in allem aber ein normaler Konjunkturzyklus und keineswegs eine Überraschung.
Wie üblich verstärken die Medien die Wahrnehmung negativer Ereignisse. Auch Banken übertreffen sich in Negativprognosen. Wie sinnlos diese sind, sieht man am Beispiel Goldman Sachs: die bekannteste US-Investmentbank musste gerade 5 ihrer 6 Prognosen für 2016 zurücknehmen (Anfang Februar!). Immer noch rechnet das Institut mit 4 US-Zinssteigerungen in diesem Jahr. Auch diese Prognose wird sich als falsch erweisen. Bei einem zu erwartenden Konjunkturrückgang die Zinsen zu erhöhen, wäre kontraproduktiv und wird daher nicht passieren.
Weiterhin leiden werden wohl Rohstoffproduzenten wie Brasilien oder Ölländer wie Saudi Arabien, was durchaus zu politisch unruhigen Zeiten führen kann. China wird nie wieder so hohe Wachstumsraten bei den Rohstoff-Importen aufweisen wie in der Vergangenheit.
Wann geht es wieder aufwärts?
Keine Ahnung, Sie wissen ja: an den Börsen machen langfristig die Strategen die Kurse, kurzfristig aber die Psychopathen. Wohin diese die Werte treiben, weiß ich nicht (ich bin ja keiner).
Auslöser für einen Aufwärtsbewegung wäre aber z.B. eine Verkündung des Verzichts auf Zinserhöhungen in den USA oder ein weiter anhaltender europäischer Konjunkturaufschwung (ja, den gibt es!).
Fazit: Menschen agieren nicht rational und werden es auch nie tun. Gier und Panik wechseln einander ab. Kluge Investoren können davon profitieren!