Was Zölle wirklich bringen
Michael Scherling am 22. November 2018
Wir sehen derzeit anhand der US-Stahlzölle ein wunderbares Beispiel wie Zölle funktionieren. Eingeführt ohne sachliche Rechtfertigung (nur 3% des Stahlverbrauchs in den USA entfallen auf die amerikanische Verteidigungsindustrie und lediglich 2% der Stahlimporte in die USA stammen aus China) entfalten sich folgende Wirkungen:
+ Der administrative Aufwand ist enorm: es gibt bereits 32.000 Ausnahmeanträge und 15.000 Einwände von heimischen Stahlproduzenten. Viele (letztlich unproduktive Mitarbeiter) wurden dafür eingestellt.
+ Preise steigen: Der Preis für Stahl in den USA ist um 33% höher als im Vorjahr. Stahlverbrauchende Unternehmen (wie etwa Hersteller von Autos, Werkzeug- und Landmaschinen) sind wegen der höheren Preise gegenüber ihren ausländischen Wettbewerbern benachteiligt.
+ Schlechte Erfahrungen: 2002 überzeugte die US-Stahlindustrie Präsident George Bush, Einfuhrzölle von 8 bis 30% auf importierten Stahl zu erheben. Damals wurden 6.000 Arbeitsplätze in der US-Stahlindustrie geschaffen, aber in den stahlverbrauchenden Industrien gingen rund 200.000 Arbeitsplätze verloren. Die Regierung Bush schaffte die Zölle deshalb nach achtzehn Monaten wieder ab.
+ Schätzungen sagen, dass die Stahl- und Aluminiumzölle von Trump rund 30.000 zusätzliche Arbeitsplätze im Metallsektor schaffen könnten, aber 180.000 Arbeitsplätze in der übrigen Wirtschaft vernichten.
+ Einfuhrzölle in Höhe von 25% auf Autos aus der EU könnten die Kosten für ein neues Auto in den USA bis zu 7000 $ steigen lassen. Bis zu 40.000 Arbeitsplätze sind in der amerikanischen Autoindustrie infolge von Kostensteigerungen aufgrund der Stahlzölle bereits gefährdet.
Zölle haben also nur für ganz kleine Gruppen Vorteile und für alle anderen enorme Nachteile. Allerdings: so lange Europa wenig betroffen ist, könnten wir sogar ein wenig profitieren — unsere Exporte in die USA werden billiger als die chinesischen und unsere Exporte nach Asien ebenso (weil US-Exporte dorthin durch Gegenmaßnahmen ebenfalls teurer werden).
In Summe wirkt sich aber vor allem die Planungs-Unsicherheit auch für unsere Unternehmen sehr negativ aus.
Fazit: Zollabbau hat dazu beigetragen, dass wir ein halbes Jahrhundert des schnellsten Wirtschaftswachstums in der Geschichte der Menschheit erleben durften. Hoffen wir, dass es nicht zu einer weiteren Eskalation von Handelskriegen kommt.