Wie geht es Europa?
Michael Scherling am 2. Juni 2015
Abseits von den üblichen Nachrichten aus den Medien, die sich umso besser verkaufen je extremere Meldungen sie veröffentlichen, möchte ich ein paar Facts zur ökonomischen Situation in Europa zusammenfassen:
+ seit 2013 sinken die Arbeitslosenraten in Spanien und Griechenland
+ Das Konjunkturklima in Spanien ist so gut wie seit 2007 nicht mehr
+ Die KFZ-Neuzulassungen steigen europaweit seit 2 Jahren kontinuierlich
+ Die Kreditvergabestandards der Banken werden lockerer (erstmals seit 2007!)
+ Die Einzelhandelsumsätze steigen so stark wie seit 10 Jahren nicht mehr
+ Immobilien- und Unternehmenskredite werden wieder verstärkt nachgefragt
+ Es gibt kaum Inflation, aber auch Deflation ist nicht in Sicht
+ Das Verbrauchervertrauen ist auf 10-Jahres-Höchststand
Selbstverständlich gibt es noch genügend Baustellen im Euroraum, aber gerade 2015 schaut aus heutiger Sicht ökonomisch erfreulich aus. Selbst Ereignisse wie ein möglicher Griechenland-Austritt sollten nur kurzfristige Wellen schlagen. Genießen wir also die Erholung — in den nächsten Jahren kommen genügend Herausforderungen auf uns zu.
Fazit: Die erfreuliche Kombination von tiefem Ölpreis, niedrigem Euro und Nullzinspolitik der Zentralbank zeigt Wirkung. Hoffen wir, dass auch 2016 etwas davon übrigbleibt.
Kommt jetzt doch die Rezession?
Michael Scherling am 5. November 2014
Kaum hatten wir uns an eine Art von wirtschaftlicher “Normalisierung” im ersten Halbjahr dieses Jahres gewöhnt, sind die Medien-Schlagzeilen schon wieder voll von Befürchtungen zu Rezession, Deflation und Krisen ganz generell.
Was ist davon zu halten?
Nun, wahr ist natürlich dass in vielen Bereichen nichts weitergegangen ist: Die französischen Politiker häufen weiter Schulden an und reformieren nicht, die deutschen freuen sich, dass die Rente mit 63 (statt 67) bei den kurzsichtigen Wählern so gut ankommt (obwohl bereits Fachkräfte fehlen und die Deutschen die schlechtesten demografischen Voraussetzungen Europas haben) und in Österreich wurde wieder einmal festgestellt dass ein Sozialversicherungssystem mit 22 unterschiedlichen Varianten ideal ist (die Herrschaften sollte einmal jemand fragen ob sie bei Neueinführung einer Sozialversicherung auch 22 Formen schaffen würden).
Einige ökonomische Daten zeugen zusätzlich von einer rückläufigen Dynamik (Einkaufsmanagerindex etc.). Manche Börsen haben 10 – 15% verloren (der Grossteil ist allerdings schon wieder aufgeholt).
Übersehen wird dabei Folgendes:
1. Medien leben von Negativschlagzeilen (Negatives wird ja von unserem Hirn 3 mal so stark wahrgenommen wie Positives). Übertreibungen sind also systembedingt.
2. Der Ölpreis ist um rund 25% gesunken
3. Die Zinsen sind weiter rekordtief
Spannend ist die historische Betrachtung der letzten beiden Punkte: Rezessionen wurden in der Vergangenheit so gut wie immer entweder von steigenden Zinsen (zur Inflationsbekämpfung von den Zentralbanken gewollt) oder durch stark steigende Ölpreise/Rohstoffpreise ausgelöst (2008: Ölpreis 140$ im Vergleich zu 80$ derzeit).
Wir haben im Moment eine Kombination von Niedrigst-Zinsen und sehr tiefen Rohstoffpreisen. Diese Konstellation macht einen wirklichen Wirtschaftseinbruch fast unmöglich.
Fazit: Genießen Sie den Herbst und fürchten Sie sich nicht vor einer Rezession!
Kommt die Inflation nun doch?
Michael Scherling am 22. September 2014
In den Jahren 2008 bis 2012 war ich ziemlich alleine mit der Vorhersage niedriger Inflationsraten.
http://www.deroekonom.at/2011/02/wird-es-in-osterreich-zu-hohen-inflationsraten-kommen/
Sogar “Die Presse” mit einem sehr kompetenten Chefredakteur machte mit. Aktuell ist es umgekehrt und die Medien überbieten sich mit Deflationsprognosen.
Dabei gibt es erste Anzeichen, dass die Zeiten stagnierender Preise zu Ende sind — allerdings nur in den USA. Hier ist die Arbeitslosigkeit von 10% auf 6% gefallen. Zusätzlich gehen die starken Geburtenjahrgänge verstärkt in Pension und ein Facharbeiterkräftemangel etabliert sich. Die Folge: Arbeitnehmer können wieder höhere Löhne verlangen. In den letzten Jahrzehnten gab es bei Erreichen der 6%-Schwelle immer stärkere Lohnanstiege.
Diese sehr positive Entwicklung ist der Ausgangspunkt für Inflation: Wegen höherer Lohnkosten müssen die Unternehmen die Preise erhöhen, weshalb im nächsten Jahr die Lohnforderungen ansteigen. Ein Kreislauf beginnt.
In der Folge sind ab 2015/2016 steigende Inflationsraten und Zinsen zu erwarten.
Das gilt aber nur für die USA, in Europa sinkt zwar das Arbeitskräfteangebot ebenfalls, speziell Deutschland klagt über Facharbeitermangel. Dennoch sind die Erholungstendenzen zu schwach, um Inflation auszulösen.
Aber: Eine aktuelle Statistik zeigt, dass der Anteil der Banken, die wachsende Kreditnachfrage erkennen, so hoch ist wie seit 2007 nicht mehr. Zusätzlich lockern die Banken die Kreditvergabestandards auf breiter Basis. Erste, aber deutliche Zeichen, dass die von den Zentralbanken geschaffenen Gelder auch in der Wirtschaft ankommen.
Fazit: In den USA scheinen steigende Inflationsraten unausweichlich, in Europa wird man wohl noch 2 Jahre in der Zeitung mehr von Deflation als von Inflation lesen.
Ist die Krise vorbei?
Michael Scherling am 17. Juni 2014
Hier gleich die überraschende Antwort:
JA!
Finanzkrise und Eurokrise sind in ihren akuten Ausprägungen vorbei. Hier ein paar Beispiele und Gründe für meine Einschätzung:
+ In Portugal sinkt die Arbeitslosigkeit
+ In England sind die Immobilienpreise über dem alten Rekordstand von 2007
+ Die Banken in den USA sind saniert
+ Spanien hat große Reformen umgesetzt
+ Mehrere Börsen sind auf Allzeithoch (USA, Deutschland, …)
+ Die Zinsen für die Staatsschulden der Euro-Südländer sind tiefer als die der USA und auch niedriger als vor der Finanzkrise
+ Die Europäische Zentralbank garantiert den Euro-Erhalt und hat durch das Geld-Monopol auch für viele Jahre die Möglichkeit dazu
Ist also alles in Ordnung? Derzeit scheint es so, aber in einigen Jahren werden folgende Entwicklungen Auslöser neuer Turbulenzen sein:
- Die Staatsschulden sind in vielen Ländern auf einem Niveau, auf dem die Rückzahlbarkeit angezweifelt werden muss. Das alleine führt zu keiner Krise in den nächsten 5 Jahren. Nur in Japan ist mit 250% Staatsverschuldung eine Schuldenstreichung wahrscheinlich.
- Frankreich ist reformunfähig und wird von Politikern und Gewerkschaftern an die Wand gefahren. Falls die durch die Europäische Zentralbank erkaufte Zeit auch in den nächsten 5 – 10 Jahren nicht für Systemverbesserungen genutzt wird, kann der Euro auf Dauer nicht weiterbestehen.
- Ein zweiter Schuldenschnitt in Griechenland ist unerlässlich. Ich glaube allerdings nicht, dass das zu einer Riesen-Krise führt. Bereits erwartete Katastrophen bleiben meistens aus oder haben kaum Auswirkungen.
- Viele europäische Banken sind Zombies. Ohne Unterstützung durch die Staaten und die Zentralbank wären einige nicht überlebensfähig. Eine gesunde Marktbereinigung wurde verhindert, weil man Konkurse nicht tolerierte (im Gegensatz zu den USA). Dadurch erfüllen die Banken nicht ihren Zweck der Darlehensvergabe an Unternehmen. Die Zentralbank kann Bankzusammenbrüche allerdings sehr lange verhindern.
Die alte Probleme wie zu wenig Eigenkapital, Interessenskonflikte und falsche Anreize sowie Machtmissbrauch sind nicht beseitigt und können unser Finanzsystem gefährden.
Fazit: Speziell für Österreich und Deutschland stehen stabile Zeiten bevor. Die ökonomischen Daten sind brauchbar und die dauerhaft niedrigen Zinsen sorgen für Wachstumsimpulse. Aber klar ist: die nächste von außen kommende Krise ist nur aufgeschoben, aber sie kommt!
Wo die Deutschen irren
Michael Scherling am 7. November 2013
Eines gleich vorweg: mit “die Deutschen” meine ich die deutschen Mitglieder der Europäischen Zentralbank und weitere Ökonomen dieses Landes. Warum irren die?
Weit verbreitet ist in unserem Nachbarland die Angst vor Inflation. Was meist unberücksichtigt bleibt, ist dass es ein viel schlimmeres Übel gibt: DEFLATION!
Wieso das?
In einigen Staaten Europas sowie in den USA sind die Bürger überschuldet, weil sie zu hohe Kredite für Immobilien aufgenommen haben. Seit 2008 sinken aber die Preise dieser Wohnungen und Häuser. Die Menschen müssen ihre Schulden reduzieren.
Dadurch haben sie weniger Geld für den Konsum anderer Güter, weshalb die Unternehmen weniger verkaufen können und mit Entlassungen reagieren. Folge: die Arbeitslosigkeit steigt. Noch weniger Bürger können ihre Kredite bezahlen und müssen Immobilien verkaufen.
Damit sinkt aber wieder der Preis der Eigenheime und das Ganze beginnt von vorne. Eine Spirale nach unten. Preise und Löhne hören nicht mehr auf zu sinken. Diese Situation wird Deflation genannt. Genau da sind wir in Spanien oder Griechenland und genau das ist 1932 passiert. Das folgende Elend war der Nährboden für die radikalen Ideen des Nationalsozialismus.
Deutsche Ökonomen argumentieren aus lauter Inflationsangst dass die Geldmenge nicht zu stark steigen darf und die Zinsen nicht zu tief sein sollten. Leider ist das Unsinn, weil in einer so gefährlichen Situation alles unternommen werden muss, um eine Deflationsspirale zu verhindern.
Die Europäische und die US-Zentralbank machen genau das Richtige: Sie verbilligen Kredite durch Zinssenkungen und eine Ausweitung der Geldmenge. Damit müssen viele Bürger ihre Wohnungen und Häuser nicht verkaufen und die Preise sinken langsamer. Die Chancen stehen gut, dass damit die brandgefährliche Deflation überwunden werden kann.
Fazit: ungewöhnliche Zeiten erfordern auch in der Ökonomie ungewöhnliche Maßnahmen. Das sollten auch meine deutschen Kollegen langsam verstehen.
Wo Erfahrungswerte nicht helfen
Michael Scherling am 14. Oktober 2013
Erfolgreich Geld anlegen kann man nur dann, wenn man sich ein wenig mit Psychologie und da vor allem mit den Irrationalitäten des menschlichen Gehirns auseinandersetzt.
Dabei erkennt man sehr schnell, dass unser Hirn definitiv nicht für Geldvermehrung geschaffen ist.
Warum?
Einer der Gründe ist, dass wir darauf programmiert sind, “aus Erfahrungen” zu lernen. Diese Vorgehensweise hat sich seit Jahrtausenden sehr bewährt: Die Art wie in den letzten 5 Jahren Bisons erlegt wurden, war wohl auch für die nächsten 5 Jahre relevant.
Auch heute noch ist die Strategie in den meisten Bereichen effizient. Wenn ich beim Autofahren alle erlebten Situationen berücksichtige, werde ich vermutlich auch in Zukunft unfallfrei unterwegs sein.
Leider gilt das so ganz und gar nicht bei der Geldanlage.
Wir orientieren uns dabei nämlich automatisch an den letzten 3 – 5 Jahren, selektieren die erfolgreichsten Strategien und meinen, dass diese auch in den kommenden 3 – 5 Jahren funktionieren werden. Genau das ist aber nicht der Fall, leider trifft meist genau das Gegenteil zu!
Beispiele: Im Jahr 2000 kauften viele Menschen Aktien, weil sie ab 1995 stark gestiegen waren. Bis 2003 gab es dann an den meisten Märkten 50% Kursverlust. 2007 erwarben viele Österreicher Immobilienaktien, weil sie lange Zeit 5 – 8% pro Jahr abwarfen. 2012 wiederum war Gold die Anlage im Fokus.
Alles ging schief. Was lernen wir daraus?
Ein wenig Nachdenken ist schon nötig. Beim Sparbuch sind die Zusammenhänge noch einfach: die Verzinsung war in der Vergangenheit brauchbar, es ist aber leicht erkennbar, dass die Zinsen so niedrig sind, dass nach Inflation nichts übrig bleiben wird.
Bei Immobilien, Fonds, Anleihen etc. ist das viel komplizierter. Der erste Schritt zum Erfolg ist den Grund zu kennen, warum eine Geldanlage in den letzten Jahren ertrag bringend war. Schritt 2 ist dann, genau zu überlegen, ob diese Voraussetzungen für die nächsten Jahre weiterhin zutreffen.
Mit dieser Vorgehensweise kann man etwa Folgendes erkennen: Die Wiener Immobilienpreise sind von 2008 bis 2012 um 6% pro Jahr gestiegen, weil viele Österreicher aus Krisenangst Wohnungen gekauft hatten. Die, die das wollten und konnten, haben aber bereits gekauft und die Angst vor wirtschaftlichen Zusammenbrüchen wird immer geringer. Somit kann man die Vergangenheits-Wertentwicklung nicht in die Zukunft projizieren.
Ein zweiter Grund für steigende Preise waren die niedrigen Kreditzinsen. Wie schon in mehreren Artikeln beschrieben werden diese noch sehr lange tief bleiben. Dieser Antriebsfaktor für Immobilienpreise bleibt also genauso erhalten wie die (noch) wachsende Bevölkerung. Somit sind zwar 6% jährlich nicht mehr möglich, aber 3% schon.
Ein anderes Beispiel: Viele Banken empfehlen immer noch Produkte, die nur deshalb gut waren, weil Anleihen (Staats- und Unternehmensanleihen) stabile Erträge abwarfen. Das wird künftig nicht mehr in dieser Form möglich sein, weil das Zinsniveau dafür viel zu tief ist. Vorsicht also bei dieser Anlageklasse! Die Erträge werden sich nicht wiederholen.
Fazit: Einen guten Berater in Geldangelegenheiten erkennen Sie daran, dass er Ihnen nicht einfach nur gut gelaufene Produkte empfiehlt, sondern erklären kann, warum sie toll waren und ob bzw. warum die Voraussetzungen dafür auch in Zukunft gegeben sind.
Sichere Geldanlagen?
Michael Scherling am 5. September 2013
Hätte man vor einigen Jahren Österreicher befragt, was für sie sichere Geldanlagen sind, wäre die Wahl sicherlich auf Sparbücher, Bausparverträge, Lebensversicherungen und Immobilien gefallen. Einige wenige hätten noch Gold und Staatsanleihen genannt.
Seit der Finanzkrise hat sich einiges geändert und zwar nicht nur kurzfristig, sondern für die nächsten 5 bis 10 Jahre.
Zwei Kernprobleme sind zu identifizieren:
1. Die Sicherheit von Sparbüchern etc. wird generell in Frage gestellt, weil man in Zypern gesehen hat, wie schnell eine Enteignung gehen kann. Kommt Österreich irgendwann in eine ähnliche Krise, wird genau das Gleiche passieren. Glücklicherweise zeichnet sich das in keiner Weise ab, unsere Ökonomie ist in brauchbarem Zustand.
2. Die “schleichende Enteignung”: Stellen wir folgende Rechnung an:
Sie bekommen am Sparbuch rund 2% Zinsen. Davon sind 25% Kapitalertragssteuer abzuziehen, bleiben 1,5%.
Klingt o.k., ist es aber nicht: In den nächsten Jahren ist eine Inflationsrate von 2 — 3% zu erwarten. Dadurch machen Sie ein jährliches Minus von bis zu 1,5%.
Legen Sie also 100.000 Euro auf 10 Jahre an, verlieren Sie 14.000 Euro an Kaufkraft.
SICHER ist also nur eines — nämlich dass Ihr Geld weniger wird!
Was sind die Alternativen?
Immobilien halte ich weiterhin für sichere Anlagen. Leider ist aber meine Jänner-Prognose eingetroffen: die Preise stagnieren auf hohem Niveau und die Zeiten mit 5% jährlichem Anstieg sind definitiv vorbei. Wenn Sie eine Wohnung zu den hohen aktuellen Preisen kaufen, sie vermieten wollen und einige Monate keinen Mieter finden, ist ein Gesamtverlust sehr schnell möglich.
Gold hat wie im letzten Artikel beschrieben ebenfalls Tücken.
Beteiligungen in Solarenergie etc. werden in Kürze verboten, weil der Gesetzgeber uns Bürger nicht für mündig genug hält, solche Anlagen zu verstehen.
Bleiben wieder einmal Aktien. Einzelaktien haben mit “sicher” wenig zu tun. Ein breit gestreuter Korb von Top-Unternehmen aus der ganzen Welt bietet hingegen Sicherheit. Allerdings nur langfristig.
Fazit: Sie müssen sich entscheiden: entweder ein “sicheres” Minus mit Sparbuch und Co. oder langfristige Sicherheit, aber dafür mit höheren Schwankungen. Keine einfachen Zeiten für Geldanleger…
Der sichere Konkurs Japans
Michael Scherling am 1. März 2013
Eine der schlimmsten Unsitten in der Wirtschaftswelt ist das Kurzfristdenken. Manager und Mitarbeiter werden nach Quartalszahlen beurteilt, egal ob deren Ursachen dem längerfristigen Wohlergehen des Unternehmens schaden oder nicht.
Ökonomen denken zumeist auf Sicht von 1 Jahr, was immer noch nicht besonders vorausschauend ist. Begründet wird das mit der mangelnden Vorhersehbarkeit der Zukunft. In vielen Fällen ist das gerechtfertigt, nicht aber im Fall Japans. Dem Land steht der sichere Bankrott bevor, aber noch nicht im nächsten Jahr, sondern erst in 5 – 10 Jahren.
Jetzt zur Erklärung:
Stellen Sie sich vor, Sie haben monatliche Ausgaben von 4.000 Euro, verdienen aber nur 2.000 Euro. Als Lösung nehmen Sie 2.000 Euro p.m. zusätzlichen Kredit auf, obwohl Sie schon mehr als das doppelte Jahreseinkommen an Schulden haben.
Klingt nicht gut, oder? Genau in dieser Situation ist Japan.
Griechenland ist mit 140% der jährlichen Wirtschaftsleistung verschuldet und wird als unrettbar bezeichnet. Die Asiaten weisen 240% auf und müssen nur 1% für die Staatsschulden bezahlen. Seltsam, oder?
Der Grund für die Differenz ist folgender: Die Japaner sind reich und kaufen der Regierung die neuen Staatsanleihen zu einem niedrigen Zins ab. Dadurch besteht (noch) keine Abhängigkeit vom internationalen Kapitalmarkt, der im Fall Griechenlands versiegt ist.
Der japanische Pensionsfonds ist der größte der Welt und investiert vor allem in die Anleihen des eigenen Staates. Aktuell wird dort überlegt, wegen der aggressiven Geldvermehrungsstrategie der Zentralbank weniger dieser Titel zu erwerben. Mittelfristig geht es aber ohnehin nicht anders: Japan hat die älteste Bevölkerung der Welt und die am schnellsten alternde. Somit wird immer mehr vom Pensionsfonds abgezogen und immer weniger eingezahlt.
Die Folge: Die Japaner können in Zukunft nicht mehr so viele eigene Staatstitel kaufen und sind auf Ausländer angewiesen. Diese aber werden erkennen, dass die riesigen Schulden niemals zurückgezahlt werden können. Das hat in diesem Umfang in der Menschheitsgeschichte noch nie ein Land geschafft.
Aus diesem Grund werden die ausländischen Gläubiger mittelfristig höhere Zinsen verlangen, z.B. 4% statt der aktuellen 1%. Dummerweise gibt Japan schon jetzt 25% des Budgets für Zinszahlungen aus. Sie können leicht ausrechnen, dass bei diesem Zinsanstieg nichts mehr von den Einnahmen übrigbleibt und das Land pleite ist.
Optimisten wenden ein, dass das reiche Land ja nur die Mehrwertsteuer erhöhen müsste und schon sei alles saniert. Eine Erhöhung im nötigen Ausmaß würde aber die Wirtschaft und damit auch die Steuereinnahmen stark einbrechen lassen und die Misere nicht wesentlich verbessern.
Der neue Premierminister hat sich nun eine “geniale” Idee einfallen lassen. Er versucht die Inflation zu erhöhen, lässt die Zentralbank fast unbegrenzt Yen drucken und senkt damit den Außenwert der Währung. Dadurch machen die Exporteure höhere Gewinne und etwa die Autobauer werden die deutsche Konkurrenz ins Schwitzen bringen. Ein künstlicher Boom wird erzeugt, die Aktien des Inselstaates steigen bereits massiv. Leider ist das eine kurzfristige, kreditfinanzierte Blasé, die in wenigen Jahren platzen wird. Lassen Sie sich also nicht von positiven Schlagzeilen in den Medien der nächsten 1 – 2 Jahre beirren.
Fazit: Ein Land mit schrumpfender Bevölkerung und 240% Schulden hat genau 2 Möglichkeiten: a) Staatsbankrott und Schuldenschnitt oder b) Hyperinflation. Es wird spannend, wofür sich die Japaner entscheiden werden.
Ausblick 2013
Michael Scherling am 2. Januar 2013
Der 2.Jänner eignet sich wunderbar, um ökonomische Prognosen für dieses Jahr zu erstellen.
Beginnen wir mit den Bereichen, die aus meiner Sicht sicher sind:
1. Spar- und Kreditzinsen bleiben tief. Hier fällt mir nicht einmal ein Szenario ein, das zu einer anderen Entwicklung führen könnte. Die Entschuldung Europas funktioniert nur mit dem aktuellen Zinsniveau, es ist alternativlos.
2. Die Inflation bleibt tief. Auch hier existiert kein Mechanismus, der 2013 zu hohen Raten führen könnte. Wie schon mehrfach beschrieben ist zwar die Geldmenge, die zwischen den Banken und der Zentralbank bzw. den Staaten im Umlauf ist, stark gestiegen, die im Wirtschaftskreislauf befindliche Geldmenge ist aber konstant. Erst wenn wieder massiv mehr Kredite an Unternehmen und Haushalte vergeben werden, droht Inflation. Davon sind wir sehr weit entfernt!
Die zweite Kategorie umfasst Prognosen mit immer noch hoher Eintrittswahrscheinlichkeit:
3. Es wird weiterhin keine Lösung für Griechenland geben. Auf Drängen der EU-Partner kam es zu Sparmaßnahmen, aber die Voraussetzungen für Wachstum wurden nicht geschaffen. Leider haben auch die europäischen Gläubiger der Hellenen nicht darauf bestanden, dass Reformen in Bereichen wie Bürokratie, Gesundheitswesen, Steuer- und Pensionssystem umgesetzt werden. Ohne Wachstum ist ein Entkommen aus der Schuldenspirale unmöglich.
4. Die Immobilienpreise in Österreich steigen 2013 kaum noch. Seit 2008 sind die Anleger massiv in Immobilien geflohen, was verstärkt durch niedrige Zinsen bei der Kreditaufnahme jährliche Preissteigerungen von über 5% ermöglicht hat. Wer aber hat jetzt noch Kapital und kauft zu den hohen Preisen? Die ersten Anleger werden Gewinne von fast 50% realisieren und verkaufen. Ein Preiseinbruch am österreichischen Immobilienmarkt ist allerdings nicht vorstellbar.
Kategorie 3 ist für Prognosen, deren Eintritt zwar fast sicher ist, durch Zentralbanken und Politiker aber verschoben werden kann:
5. Frankreich rückt in den Mittelpunkt der europäischen Schuldenkrise. Während Irland, Italien und Spanien Fortschritte machen, glauben die Franzosen immer noch nicht nur, dass sie die Chefs in Europa sind, sondern auch dass sie es nicht nötig haben, Reformen umzusetzen. Die Gesamtschulden sind höher als die der Italiener, der Staatsapparat gigantisch und unfinanzierbar und alle Defizite vergrößern sich. Zentralbank und Politik werden die Auswirkungen der Frankreich-Krise zumindest im Jahr 2013 aber noch in Grenzen halten können.
6. Den USA steht ein sehr hartes Jahr bevor. Bisher wurden die Altlasten durch neue Schulden zugedeckt, aber 2013 ist Zahltag. Die anstehenden Sparmaßnahmen werden kaum Wachstum erlauben. In diesem Zusammenhang ist erstaunlich, dass die Aktienmärkte rund 30% teurer sind als in Europa.
Fazit: Frohes neues Jahr!!!
Die Wende in der Eurokrise?
Michael Scherling am 22. Oktober 2012
Werfen wir zuerst einen Blick auf das Nicht-Euro-Land Grossbritannien: Ökonomisch steht es viel schlechter da, als Österreich, Deutschland oder auch Italien. Mit der Situation in Spanien gibt es starke Ähnlichkeiten (z.B. die vorangegangene Immobilienblase).
Wie oft haben Sie von der schlechten Lage in England gehört? Sicher nicht so oft wie von Spanien und Italien. Der eine Grund dafür ist, dass die Briten eine andere Währung haben, die sie abwerten können, um die Exporte zu verbilligen. Viel wesentlicher ist aber die andere Ursache: die Zentralbank!
Diese hat in unfassbarem Umfang Staatsanleihen gekauft und die Zinsen künstlich niedrig gehalten und wird das auch noch weitere Jahre tun.
Und jetzt zur Erklärung der Überschrift dieses Artikels: Genau das was die Briten seit 2008 machen, wird nun im Euroraum gestartet. Sowohl die Zentralbank als auch die Staaten haben kommuniziert, den Euro in jedem Fall zu erhalten, koste es was es wolle. Und glauben Sie mir: die Zentralbank ist dazu sehr viele Jahre in der Lage, sie hat ja das Monopol über den Euro.
Viele Probleme sind noch ungelöst: Die Lage in Frankreich schaut wie schon vor 2 Monaten beschrieben, sehr düster aus, die Banken stehen auf wackeligen Beinen und weder in Spanien noch in Griechenland ist ein Aufwärtstrend zu erkennen.
Dennoch bin ich deutlich optimistischer, dass ein Wendepunkt in der Eurokrise erreicht ist. Endlich gibt es ein beherztes und pragmatisches Eingreifen aller Entscheidungsträger. Staatsanleihekäufe, Rettungsfonds und tiefe Dauerzinsen verschaffen den Politikern die nötige Zeit, Reformen umzusetzen.
Was bedeutet das für Sie?
1. Glauben Sie keinen Euro-Untergangspropheten (mehr)!
2. Die neuen Entwicklungen bringen in den nächsten 3 Jahren noch keine höheren Inflationsraten, aber danach müssen wir wachsamer als bisher sein.
3. Wenn Sie Ihr Geld am Sparbuch lassen, wird die Kaufkraft ständig sinken, weil die Zinsen künstlich unter der Inflationsrate gehalten werden.
Fazit: Die Entscheidung ist gefallen: Sie als Sparer werden die aufgebauten Schulden zahlen müssen. Dafür brauchen Sie sich vor einem Eurozerfall nicht mehr zu fürchten!