Bitcoin&Co
Michael Scherling am 13. Dezember 2017
Die Schweizer Nationalbank kauft mit künstlich gedrucktem Geld weltweit Firmenanteile auf, in Japan sind bald 50% der Staatsschuld in Händen der Zentralbank und bei uns werden Sparguthaben entwertet, weil der Zins viel geringer als die Inflationsrate ist.
In Summe spricht also Vieles gegen die Solidität unserer Währungen. Kein Wunder also, dass Kryptowährungen gefragt sind. Gepaart mit der Faszination der technologischen Neuerung Blockchain steigen die Kurse von Kryptowährungen massiv an und auch in Österreich gibt es die ersten Bitcoin-Millionäre.
Werden nun unsere Währungen spätestens nach der nächsten Finanzkrise durch Bitcoin&Co ersetzt?
Durchsetzen wird sich jedenfalls die dahinterstehende Technologie Blockchain, die z.B. sehr gut geeignet ist, um unser System des Grundbuchs kostengünstig und effizient zu ersetzen.
Eine Eignung als Währung ist allerdings weniger gegeben:
+ Vielfach wird argumentiert, dass Bitcoin nicht beliebig vermehrbar ist (wie Gold). Nachdem es aber inzwischen hunderte von Kryptowährungen gibt und nicht klar ist, welche sich durchsetzen wird (es gibt technisch bessere mit geringeren Kosten als Bitcoin), sind Kryptowährungen sehr wohl vermehrbar.
+ Die erforderliche enorme Rechnerleistung beim Erzeugen und Handeln mit Bitcoin braucht so viel Strom, dass die weltweite Energieproduktion nicht ausreicht, um einen breiten Einsatz als Währung zu ermöglichen.
+ Zentralbanken und Regierungen lassen niemals zu, dass sie das Monopol auf die Währung verlieren. Bevor Kryptowährungen zur ernstzunehmenden Alternative zu unseren Währungen werden, werden sie wohl per Gesetz verboten. In China gibt es die ersten Anzeichen dafür.
+ Im Jänner fand 80% des weitweiten Handels mit Bitcoin in China statt, im Frühling 55% in Japan. Warum? Weil reiche Chinesen die Kapitalverkehrskontrollen Chinas umgingen und Japan Bitcoin legalisierte, um diese Gelder anzulocken. Der Ruf der Kryptowährungen, ein Instrument zur Förderung illegaler Aktivitäten zu sein, scheint also nicht ungerechtfertigt zu sein.
Fazit: Der Kursverlauf von Bitcoin ist sehr ähnlich dem von Tulpen in Holland 1637. Der Anstieg war so stark, dass mit einer Blumenzwiebel ein ganzes Haus gekauft werden konnte. Nach dem Platzen der Tulpenblase sank der Kurs um über 95%. Ähnliches kann auch Bitcoin&Co passieren.
Wird Gold im Jahr 2016 glänzen?
Michael Scherling am 6. Januar 2016
Menschen tendieren dazu, Trends der Vergangenheit in die Zukunft fortzuschreiben. So glaubten viele nach einem Anstieg des Goldpreises von 500 auf 1.900 Dollar pro Unze von 2006 bis 2011 an eine weitere Steigerung auf 10.000 Dollar in wenigen Jahren.
Genau das Gegenteil passierte: weil zu viele Leute mitspekuliert hatten und keine neue Nachfrage mehr vorhanden war, sank der Preis auf unter 1.100 Dollar. Einige Käufer hatten sich von falsch dargestellten Zusammenhängen blenden lassen. So schützt Gold etwa wie schon 2011 und 2013 in diesem Blog beschrieben, keineswegs vor Inflation.
Dennoch sind die Aussichten für 2016 nicht so schlecht:
Kaum jemand glaubt an steigende Goldnotierungen. Antizyklische Investoren wissen dass das ein Hinweis auf höhere Kurse ist.
Noch viel wichtiger ist aber Folgendes:
Am stärksten ist der Goldpreis vom “Realzins” abhängig. Ein Beispiel: Wenn der Sparbuchzins 4% beträgt und die Inflation 2%, dann ist der Realzins 2%. In einem solchen Szenario gibt es kaum Gründe für Edelmetallkäufe, da diese keinen laufenden Ertrag bringen, das Sparbuch hingegen schon.
Hat man eine Idee, wie sich dieser reale Zins entwickelt, kann man auch eine Tendenz beim Goldpreis erahnen, weil gilt: höherer Realzins = tieferer Goldpreis und umgekehrt.
Die aktuelle Situation stellt sich etwa so dar: In den USA glauben alle an einen höheren Realzins, weil die Zentralbank die Zinsen erhöht und die Inflation niedrig angenommen wird. Beide Annahmen halte ich für falsch und damit auch die Idee fallender Edelmetallnotierungen.
Die Lage der amerikanischen Industrie ist nicht gut und auch sonst zeichnet sich ein Konjunkturabschwung ab. Am stärksten wachsen noch die Dienstleistungen und dabei die Anwaltshonorare. Ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zeichnet sich aber nicht dadurch aus, dass wir uns gegenseitig immer mehr verklagen…
Fazit: Die US-Zentralbank wird die Zinsen weit weniger erhöhen können als angenommen wird, weil höhere Zinsen die Wirtschaft zu stark bremsen würden.
Zur Inflation: diese ist vor allem wegen des gesunkenen Ölpreises so tief. Prozentuell kann dieser aber gar nicht so stark weiter fallen. Stabilisiert er sich nur, steigt die Teuerungsrate automatisch.
Somit wird es aus meiner Sicht keinen steigenden Realzins geben — die steigende Inflation wird den nur wenig höheren Zinsertrag eliminieren. Dadurch werden Goldinvestments lukrativer.
Fazit: Glauben Sie keiner Goldprognose, auch meiner nicht. Eine Vorhersagbarkeit ist grundsätzlich nicht gegeben. Dennoch ist es sinnvoll, die Zusammenhänge zu kennen, um sich nicht von Gerüchten und Medienschlagzeilen in die Irre führen zu lassen.
Bleibt der Ölpreis so tief?
Michael Scherling am 20. Februar 2015
Kaum jemand hatte 2014 gedacht, dass der Ölpreis so stark fällt. Viele rechnen aktuell damit, dass der Rückgang nur vorübergehend ist. Aus analytischer Sicht schaut es aber nicht so aus.
Im Wesentlichen war das “schwarze Gold” nur deshalb ein so knappes Gut, weil China den Verbrauch jedes Jahr deutlich erhöhte. Durch die Umorientierung der Chinesen auf weniger Bau- und Infrastrukturmaßnahmen und verstärkte Förderung des inländischen Konsums sinken die Zuwachsraten. Auch in Zukunft wird China weniger stark wachsen und damit ebenso der Ölverbrauch.
Zusätzlich verbraucht Europa immer geringere Mengen an Öl, da die Wirtschaft kaum wächst und Energiesparmaßnahmen wirken.
Aber nicht nur die Nachfrage steigt weniger stark, auch das Angebot ist weniger knapp als noch vor wenigen Jahren. Durch neue Fördermethoden in den USA sind die Amerikaner in kürzester Zeit zum größten Ölproduzenten der Welt geworden.
Die Saudis hätten gerne höhere Preise und hoffen, dass viele Produzenten in Nordamerika durch die tiefen Ölnotierungen in Konkurs gehen. Damit könnten die Notierungen für Öl wieder steigen.
Selbstverständlich werden einige Förderer in die Pleite getrieben und einzelne Bohrlöcher geschlossen.
Aber: Schätzungen aus der Branche sagen, dass bei Preisen von 50 – 70 Dollar die US-Schieferölindustrie immer noch profitabel arbeiten kann. Sobald diese Grenze überschritten wird, können sehr schnell neue Bohrlöcher aktiviert werden. Dadurch steigt das Angebot und der Preis fällt wieder.
Fazit: Aus derzeitiger Sicht werden wir noch lange so günstig wie jetzt tanken. Speziell Europa und Asien als große Nettoimporteure von Öl werden ökonomisch davon profitieren!
Kommt jetzt doch die Rezession?
Michael Scherling am 5. November 2014
Kaum hatten wir uns an eine Art von wirtschaftlicher “Normalisierung” im ersten Halbjahr dieses Jahres gewöhnt, sind die Medien-Schlagzeilen schon wieder voll von Befürchtungen zu Rezession, Deflation und Krisen ganz generell.
Was ist davon zu halten?
Nun, wahr ist natürlich dass in vielen Bereichen nichts weitergegangen ist: Die französischen Politiker häufen weiter Schulden an und reformieren nicht, die deutschen freuen sich, dass die Rente mit 63 (statt 67) bei den kurzsichtigen Wählern so gut ankommt (obwohl bereits Fachkräfte fehlen und die Deutschen die schlechtesten demografischen Voraussetzungen Europas haben) und in Österreich wurde wieder einmal festgestellt dass ein Sozialversicherungssystem mit 22 unterschiedlichen Varianten ideal ist (die Herrschaften sollte einmal jemand fragen ob sie bei Neueinführung einer Sozialversicherung auch 22 Formen schaffen würden).
Einige ökonomische Daten zeugen zusätzlich von einer rückläufigen Dynamik (Einkaufsmanagerindex etc.). Manche Börsen haben 10 – 15% verloren (der Grossteil ist allerdings schon wieder aufgeholt).
Übersehen wird dabei Folgendes:
1. Medien leben von Negativschlagzeilen (Negatives wird ja von unserem Hirn 3 mal so stark wahrgenommen wie Positives). Übertreibungen sind also systembedingt.
2. Der Ölpreis ist um rund 25% gesunken
3. Die Zinsen sind weiter rekordtief
Spannend ist die historische Betrachtung der letzten beiden Punkte: Rezessionen wurden in der Vergangenheit so gut wie immer entweder von steigenden Zinsen (zur Inflationsbekämpfung von den Zentralbanken gewollt) oder durch stark steigende Ölpreise/Rohstoffpreise ausgelöst (2008: Ölpreis 140$ im Vergleich zu 80$ derzeit).
Wir haben im Moment eine Kombination von Niedrigst-Zinsen und sehr tiefen Rohstoffpreisen. Diese Konstellation macht einen wirklichen Wirtschaftseinbruch fast unmöglich.
Fazit: Genießen Sie den Herbst und fürchten Sie sich nicht vor einer Rezession!
Gold!
Michael Scherling am 26. Juli 2013
Nachdem ich den Artikel zum Thema Gold im Februar 2011 veröffentlicht hatte (http://www.deroekonom.at/2011/02/wie-lange-steigt-der-goldpreis-noch/), wurde ich von Fans des gelben Metalls vielfach kritisiert.
Bei einem Vortrag kurz darauf erklärte ich anhand einer Folie mit der Entwicklung des Goldpreises der letzten 100 Jahre, dass Gold definitiv kein Inflationsschutz ist (25 Jahre lang Preisverfall bei gleichzeitig hoher Inflation!). Damit erzeugte ich bei mehreren Teilnehmern derart starke kognitive Dissonanzen, dass sie versuchten, den Rest des Vortrages zu stören. Im Publikum waren nur Akademiker…
Seit September 2011 ist der Preis nun von 1.900 auf ein Tief von 1.200 (Juni) gefallen, also fast minus 40%.
Was ist nun wirklich los mit dem glänzenden Edelmetall?
Klar ist, dass der Goldpreis nur wegen der weltweit aktiven Spekulanten bis auf 1.900 gestiegen ist. Die großen Käufer von Gold waren Investmentbanken und Hedge Funds. Gerade die Menschen, die ihre Wertpapiere im Glauben verkauft hatten, der “bösen Finanzindustrie” zu entkommen, wurden somit selbst aktive Teilnehmer einer riesigen Spekulationsblase.
Es gibt nämlich 2 Arten von Goldkäufern:
1. Langfristanleger: darunter fallen nicht nur viele private Gold-Fans, sondern auch einige wichtige Zentralbanken wie etwa die aus China.
2. Spekulanten: nicht nur die Investmentbanken und die anderen üblichen Verdächtigen sind hier zu erwähnen, sondern viele andere (auch Privatanleger), die auf immer steigende Preise gehofft und viel Geld in Wertpapiere mit physisch hinterlegtem Gold investiert hatten.
Die zweite Gruppe hat nun (zum Teil panikartig) Bestände verkauft und so den Preis nach unten getrieben. Der Grund dafür ist nicht, dass alle Krisen vorbei sind, sondern genau der, den ich 2011 beschrieben hatte: die Anleihezinsen sind gestiegen und die Inflation zurückgegangen. Dadurch lohnen sich andere (im Gegensatz zu Gold zinsbringende) Anlagen wieder etwas mehr (steigender Realzins).
Der einfache ökonimsche Zusammenhang: Bei florierender Wirtschaft werden die Zinsen erhöht, um nicht einen durch Niedrigzinsen verursachten Kreditboom auszulösen. Die Aussichten auf stärkeres Wirtschaftswachstum in den USA (siehe Artikel vom Juni) haben die Erwartungen auf höhere Sparbuchzinsen verstärkt und Gold uninteressanter gemacht.
Wie wird es nun weitergehen?
Niemand weiß genau, wo der Goldpreis sein Tief finden wird oder ob er es schon gefunden hat. Auf Sicht von mehreren Jahren sind die Aussichten aber nach dieser Stabilisierungsphase nicht so schlecht.
Einige Argumente für steigende Notierungen bestehen weiter:
1. Die erste Gruppe der Langfristanleger kauft weiterhin Gold und freut sich über niedrige Preise.
2. Das meiste Edelmetall ist nun nicht mehr in “zittrigen Händen” der Spekulanten, sondern in Tresoren der wirklichen Gold-Fans, die grundsätzlich nicht verkaufen, so lange sie genug zu Essen haben.
3. Die Schuldenkrise ist noch lange nicht vorbei: Japan wird noch implodieren und sowohl USA als auch Europa müssen über viele Jahre Schulden abbauen, was immer wieder für Unruhe sorgen wird.
Fazit: Überraschung: ich halte es für sinnvoll, zum aktuelles Preis etwa 5% des Vermögens in Gold zu investieren. Es gibt allerdings auch 2 tolle deutsche Vermögensverwalter, die Goldbestände halten, gleichzeitig aber für eine breite Streuung und mehr Sicherheit sorgen und schneller auf neue Ereignisse reagieren können. Wer einen guten Berater zu diesem Thema sucht, ich kenne mehrere — bitte kurze Mail an michael.scherling@deroekonom.at
Die bösen Spekulanten?
Michael Scherling am 1. Februar 2013
Seit der Finanzkrise sind nicht mehr nur linksradikale Gruppen sondern eine breite Mehrheit der Bevölkerung nicht gut auf Spekulanten zu sprechen. Ist das gerechtfertigt?
Zunächst gehen wir am besten einen Schritt zurück: Treffen sich ein Bauer und ein Bäcker. Kein Witz, sondern der Beginn der Erklärung des Entstehens von “Spekulation”. Den Landwirt kostet die Produktion von 10 Tonnen Getreide z.B. 10.000 Euro (Wasser, Düngermittel, Saatgut etc.). Die Preise, die er bei der Ernte erzielen kann, schwanken aber. Wenn er Pech hat, bekommt er nur 9.000 Euro, im Glücksfall 15.000 Euro. Der Bauer findet das nicht lustig, weil er ja seine Familie ernähren möchte und stabile Einnahmen braucht. Ihm wäre geholfen, wenn ihm jemand fix 12.000 Euro zahlt.
Der Bäcker mag auch keine Schwankungen beim Getreidepreis, weil sich die Kunden beschweren wenn er die Semmelpreise deshalb erhöht.
Also treffen sich die beiden und vereinbaren schon ein halbes Jahr vor der Ernte einen Fixpreis von 12.000 Euro. Alle sind glücklich. Damit sichergestellt werden kann, daß jeder Bauer immer einen Bäcker findet, gibt es Börsen, an denen Weizen-Futures gehandelt werden. Das hat nichts mit Spekulation zu tun, sondern mehr mit Absicherung.
Natürlich kann man diese Futures und ähnliche Finanzinstrumente auch handeln, ohne Bauer zu sein. Ist man deshalb böse?
Grundsätzlich nein, denn je mehr Händler es gibt, desto besser und vielfältiger sind die Möglichkeiten für Bauer und Bäcker. Wenn allerdings Nahrungsmittelpreise durch die Marktteilnehmer künstlich in die Höhe getrieben würden, wäre das für viele Menschen eine Katastrophe und müsste verhindert werden. Diesbezügliche wissenschaftliche Studien kommen aber zu keinem eindeutigen Ergebnis, ein negativer Effekt ist nicht klar beweisbar.
Ein Verbot von Spekulation ist in einer globalisierten Welt aber ohnehin nicht möglich und hätte auch mindestens so viele negative Effekte wie positive.
Trotzdem gilt für Privatanleger: Hände weg von Rohstoffanlagen. Erstens weil die Folgen nicht klar sind und zweitens weil Rohstoffanlagen historisch nur den gleichen Ertrag wie Staatsanleihen bringen, aber viel mehr schwanken und damit viel riskanter sind.
Fazit: Wer behauptet, dass Spekulation böse ist, hat den Hintergrund nicht verstanden. Trotzdem sollten Sie kein Geld in Rohstoffanlagen investieren.
Der Ölpreis!
Michael Scherling am 11. April 2012
Der Anstieg des Ölpreises ist nicht zu übersehen: Nicht nur an den Tankstellen werden wir täglich verschreckt, auch die Medien greifen sehr gerne dieses “Schockthema” auf, das immer für Schlagzeilen gut ist und damit Geld bringt.
Tatsächlich machen die Ausgaben für Benzin und Diesel aber nur wenige Prozentpunkte an den Gesamtausgaben der Österreicher aus. Wenn man die Pendler ausnimmt, wird dieses Thema aus dieser Sicht also eher überschätzt.
Also Entwarnung? Leider nein.
Schon die beiden Ölkrisen vor rund 30 Jahren haben gezeigt, daß stark steigende Preise die Wirtschaft in eine Rezession stürzen können. Warum? Zuerst leidet das Transportgewerbe, dann auch alle anderen Firmen, die die gestiegenen Preise nicht in Form von höheren Produktpreisen weitergeben können (z.B. wegen langfristiger Verträge oder weil die Konkurrenzsituation keine Erhöhung zulässt). In der Folge kommt es zu Konkursen und Entlassungen. Damit steigt die Arbeitslosenrate, die Bevölkerung kann wiederum weniger konsumieren, was die Wirtschaft weiter bremst und in eine Rezession stürzen kann.
Glücklicherweise hat sich seither die “Energieintensität” stark reduziert. Steigende Ölpreise wirken sich bei weitem nicht mehr so heftig aus. In fragilen ökonomischen Situationen wie derzeit können die Auswirkungen dennoch fatal sein:
Die hohen Ölpreise waren nicht Ursache, aber Mit-Auslöser der Finanzkrise von 2008. Auch 2010 und 2011 spitzten sich die Krisen zu, als die Notierungen Höchststände erreichten. Warum? Wenn die Konsumenten wegen hoher Kreditraten und stagnierender Löhne knapp bei Kasse sind, bringt ein stark steigender Ölpreis das Fass zum Überlaufen.
Zusätzlich hängen ganze Staaten vom schwarzen Gold ab: In den Achzigerjahren wurde halb Lateinamerika zahlungsunfähig und 1998 Russland, als ein Fass Öl nur 10$ kostete. Nun ist es umgekehrt: die ölimportierenden Länder gehen in Konkurs, der Schock in der Leistungsbilanz führt zu Schulden- und Bankenkrisen.
Ab wann müssen wir uns aktuell Sorgen machen?
Ein weiterer Anstieg um rund 10% dürfte die Schmerzgrenze überschreiten und einige Staaten in Bedrängnis bringen.
Was könnte der Auslöser sein? Nachdem in USA, Japan und Europa der Verbrauch sinkt, ist zusätzliche Nachfrage vermutlich auf kurze Frist nicht der Grund. Problematisch ist aber die Angebotsseite, vor allem durch den Iran-Konflikt.
Spannend wird jedenfall zu sehen, wie mächtig ein US-Präsident wirklich ist: Obama weiss daß seine Wiederwahl auch vom Ölpreis abhängt, er wird daher alles in Bewegung setzen, um die Preise bis Herbst sinken zu lassen. Ein Angriff Israels auf den Iran scheint in diesem Zusammenhang unwahrscheinlich.
Fazit: Steigt der Ölpreis nochmal 10%, leidet die Weltwirtschaft und die Eurokrise könnte sich wieder verschärfen. Die aktuell niedrige Nachfrage spricht aber nicht dafür.
Der August-Crash
Michael Scherling am 29. August 2011
Von Sommerflaute kann in diesem Jahr in ökonomischer Hinsicht nicht die Rede sein. Was hat sich getan?
- Börseneinbruch: Viele Börsen (wie auch die deutsche und österreichische) sind um 20 – 25% eingebrochen, was wirklich erstaunlich ist: wenn Sie in den Supermarkt gehen, werden Sie kaum Artikel finden, die billiger sind als vor 10 Jahren. Die weltweit führenden Unternehmen aus Deutschland hingegen sind um 30% billiger als 2001 oder auch als 2007. Zusätzlich sind die Gewinne dieser Firmen inzwischen viel höher als damals und die Aussichten wunderbar, weil genau das hergestellt wird, was die aufstrebenden Länder dieser Welt brauchen.
Lustig ist auch das Investorenverhalten bei Immobilien: Für Wohnungen werden 20% mehr bezahlt als vor kurzer Zeit. Andere Immobilienveranlagungen hingegen finden sogar mit 30% Abschlag zum Immobilienwert kaum Käufer. Das gilt auch für Wohnimmobilien-Investments, die sogar weniger riskant sind als Einzelwohnungen, weil das Risiko auf viele Objekte gestreut ist. - Währungsturbulenzen: Speziell der Schweizer Franken erreichte als “sicherer Hafen” neue Rekordstände. An dieser Stelle ein spezieller Dank an die Finanzmarktaufsicht: Bei einem Kurs von 1,67 wurden Fremdwährungsfinanzierungen zugelassen. Aktuell könnte man um mehr als 40% günstiger einsteigen, was die FMA uns aber verbietet. Tolle Leistung, bravo.
Ein kleiner Trost für Fremdwährungskreditnehmer: Ohne Finanzkrise/Staatsschuldenkrise würden Sie in Franken rund 4 – 5% Zinsen zahlen, also 3% p.a. mehr als jetzt. Geht das insgesamt 10 Jahre lang so weiter (3 Jahre haben wir ja schon), ersparen Sie sich 30% des Kredits, die Sie den Kursverlusten gegenrechnen können. Wichtig ist, daß Sie die Zinsersparnis zur Seite legen und nicht “verkonsumieren”. - Goldpreisanstieg: Bereits Anfang des Jahres hatte ich geschrieben, daß der Goldpreis erst fällt, wenn die Realzinsen steigen. Nachdem die US-Zentralbank jetzt kommuniziert hat, daß die Zinsen für weitere 2 Jahre bei Null bleiben, wird wohl auch der Goldpreis nicht so bald fallen. Wie weit er noch steigt, wird nur von Spekulanten bestimmt. Als “Nicht-Spekulant” kann ich Ihnen also leider keine Prognose bieten.
Spannend ist, daß Gold ja schon sehr stark gestiegen ist, Goldminenaktien hingegen nicht, obwohl sich beides jahrzehntelang aus nachvollziehbaren Gründen sehr ähnlich entwickelt hat. Die Unterbewertung der goldproduzierenden Unternehmen liegt bei etwa 30%.
Fazit: Die menschliche Psyche ist defintiv nicht dafür geeignet, gewinnbringende Veranlagungen zu wählen. Menschen, die diese Zusammenhänge verstehen, finden aktuell so grossartige Anlagemöglichkeiten wie schon lange nicht mehr. Ein paar Jahre Geduld muss man allerdings mitbringen.
Wie lange steigt der Goldpreis noch?
Michael Scherling am 20. Februar 2011
Ausnahmsweise kommt die Antwort gleich zu Beginn, weil sie nur 8 Worte lang ist: So lange, bis der Realzins deutlich positiv ist!
Nachdem dieser Satz nicht selbsterklärend ist, hier die Details: Wenn in den USA und Europa der Sparbuchzins bei 1% liegt, die Inflationsrate aber bei 2%, wird das Geld „real“ immer weniger wert. Die Suche nach Alternativen ist also sinnvoll.
Was Menschen am wenigsten mögen, ist Unsicherheit. Genau die ist aktuell so hoch wie selten zuvor. Gold scheint daher den Menschen als eine seit Jahrtausenden existierende Anlage interessant zu sein, weil im Gegensatz zu Immobilien, Aktien und Anleihen wenig Unsicherheit damit verbunden sei.
Wird die Unsicherheit auf Jahrzehnte weiter bestehen? Um darauf eine Antwort zu finden, muss man die Kreditkrisen der letzten 100 Jahre analysieren: Im Schnitt dauerte eine Kreditkrise 7 Jahre. Bei einen angenommen Beginn im Jahr 2007 hätten wir also noch 3 Jahre vor uns, in denen auch der Goldpreis weiter steigen könnte.
Irgendwann geht jede Krise zu Ende, auch diese. Was passiert dann?
Die Zentralbanken erhöhen die Zinsen auf ein Niveau über der Inflationsrate. Fazit: Wir bekommen z.B. 4% Sparbuchzins bei z.B. 2% Inflation, also einen hohen realen Zins. Zusätzlich nimmt die Unsicherheit ab, weil die Kreditkrise ja vorbei ist. Warum sollte dann noch jemand Gold kaufen?
Was dagegen spricht:
- Gold notiert in Dollar, das Währungsrisiko ist also enorm
- Gold wirft keinen Zins ab, sondern verursacht Kosten beim Ankauf und der Lagerung
- Der Goldpreis ist politisch von Zentralbanken beeinflusst und von Spekulanten getrieben
- Gold ist kein ethisches Investment: durch die Gifte, die zum Herausbrennen aus dem Gestein nötig sind, wird die Umwelt im Umkreis der Minen auf Jahre hinaus vergiftet. Nur damit das Edelmetall ohne produktive Verwendung in Safes herumliegt …
Fazit: Noch können Sie spekulative Gewinne mit Gold machen, aber das Risiko wird immer höher oder wie der weltbekannte Investor George Soros sagt: “Gold ist die ultimative Spekulationsblase, aber ich bin dabei!”
Ist es sinnvoll, in Rohstoffe zu investieren?
Michael Scherling am 15. Januar 2011
2007 waren die Zeitungsartikel voll von Empfehlungen für Rohstoffinvestments und seit Mitte 2010 wiederholt sich dieser Effekt. Wie immer berichten die Medien von den Investments, die am stärksten gestiegen (oder gefallen) sind.
Was sind die wesentlichsten Argumente für diese Veranlagungsart?
- Rohstoffe sind Sachwerte und schützen vor Inflation
- Rohstoffe entwicklen sich nicht wie andere Anlageklassen (Aktien, Anleihen) und verbessern daher die Streuung
- Rohstoffe werden weiter im Preis steigen, weil die Weltbevölkerung wächst und der Wohlstandsgewinn v.a. in Asien enorme Mengen an Rohstoffen benötigt
Tatsächlich ist die Lage so:
- 5% der Erdkruste besteht aus Eisen, ein Mangel ist nicht erkennbar. Durch neue Technologien ist Gas in Unmengen verfügbar, die USA sind inzwischen wieder Selbstversorger. Gas und Erz sind aber durchaus prominent in Rohstoffindices vertreten.
- Breit gestreute Aktienfonds investieren ohnehin bis zu 50% in Rohstoffaktien, eine noch stärkere Gewichtung ist nur für Spekulanten empfehlenswert.
- Rohstoffe werfen keine Zinsen ab, im Gegenteil: es entstehen erhebliche Spesen.
- In den letzten 50 Jahren waren die Erträge der Rohstoffinvestments nur so hoch wie die von Anleihen, aber mit viel höheren Schwankungen (also Risiko).
- Wirklich erstaunt bin ich, wenn ich in Fachmedien immer noch das Argument der Streuung (2. oben) lese: Im Jahr 2008 sind Rohstoffe genauso stark gefallen wie Aktien, ein Schutz des Portfolios durch “Diversifikation” war nicht gegeben.
- Unter ethischen Gesichtspunkten haben OECD und Weltbank eine gemeinsame Ansicht: Nicht die bösen Spekulanten sind schuld an überschiessenden Nahrungsmittelpreisen. Sie spielen sogar eine positive Rolle, weil Erzeuger ihre Ware vor der Ernte zu fixen Preisen verkaufen möchten. Ohne Spekulanten (z.B. Hedgefonds) geht das nicht.
- Die Weltbank sieht allerdings uns Privatanleger als die wirklich “Bösen” an, weil durch unsere Investments zu viel Geld in die engen Märkte drängt. Dadurch steigen die Preise.
Der Gedanke, daß auch nur ein Mensch verhungern muss, weil ich Geld in Grundnahrungsmittel investiere, ist mir unerträglich.
Fazit: Es gibt viele tolle Investments, Rohstoffveranlagungen gehören nicht dazu!