Das Kernproblem Europas
Michael Scherling am 12. April 2013
Die Volkswirtschaften in Spanien, Griechenland und auch Österreich hängen sehr stark vom Erfolg kleiner und mittlerer Unternehmen ab. Diese sichern den Großteil der Arbeitsplätze und des Wirtschaftswachstums und sorgen so für Wohlstand. Gerade sie leiden aber ganz besonders unter der schlechten Situation der Banken.
Großunternehmen hingegen profitieren von den Niedrigzinsen: früher zahlten Siemens und Co. 6%, wenn sie Anleihen zur Finanzierung neuer Vorhaben ausgaben. Heute sind es 2%. Kein Wunder also wenn deren Aktienkurse steigen.
Kleineren Firmen steht dieser Weg nicht offen, er ist zu teuer und es gibt zu wenige Käufer solcher Anleihen. Sie sind auf Bankkredite angewiesen. Dummerweise leiden die Kreditinstitute aber selbst an verschiedensten Problemen und sind nicht in der Lage, ausreichend Darlehen zu vergeben.
Ein spanischer Unternehmer, der eine wunderbaren Idee oder Erfindung hat und damit für neue Arbeitsplätze und Wachstum sorgen könnte, kommt nicht an das Geld, das er für den Start braucht oder zahlt 15% Zinsen. Somit steckt das ganze Land in der Falle. Dies trifft für fast alle Krisenstaaten zu.
Warum haben die USA dieses Problem nicht in diesem Ausmaß? Weil es dort auch für mittelgroße Firmen möglich ist, Anleihen zu begeben. Es gibt auch Käufer dafür. In Europa nicht.
Warum vergibt die Europäische Zentralbank (EZB) keine Kredite? Leider ist sie dazu nicht in der Lage. Sie hat weder die Kompetenz, noch das Wissen oder ausreichendes Personal für so eine Mammutaufgabe, die ja die Kernkompetenz der regionalen Banken ist.
Trotzdem sollte die EZB aktiv werden. Bisher hat sie den Banken angeboten, auch Kredite an kleinere Firmen als Sicherheiten zu akzeptieren. Damit erhalten die Banken im Gegenzug frisches Geld von der Zentralbank, wenn sie es an Klein- und Mittelbetriebe vergeben. Das war aber nur in wenigen Ländern erfolgreich. EZB-Präsident Draghi hat angekündigt, solche Programme effizienter zu gestalten. Es ist wichtig, dass hier etwas geschieht.
Fazit: Die Europäische Zentralbank hat das Problem der Unterversorgung der kleinen und mittleren Firmen mit Krediten erkannt, hat aber keine schnelle Lösung dafür. Wird eine solche gefunden, ist der Grundstein für die Erholung der Eurozone gelegt, weil wieder Wachstum und Arbeitsplätze entstehen.
Der sichere Konkurs Japans
Michael Scherling am 1. März 2013
Eine der schlimmsten Unsitten in der Wirtschaftswelt ist das Kurzfristdenken. Manager und Mitarbeiter werden nach Quartalszahlen beurteilt, egal ob deren Ursachen dem längerfristigen Wohlergehen des Unternehmens schaden oder nicht.
Ökonomen denken zumeist auf Sicht von 1 Jahr, was immer noch nicht besonders vorausschauend ist. Begründet wird das mit der mangelnden Vorhersehbarkeit der Zukunft. In vielen Fällen ist das gerechtfertigt, nicht aber im Fall Japans. Dem Land steht der sichere Bankrott bevor, aber noch nicht im nächsten Jahr, sondern erst in 5 – 10 Jahren.
Jetzt zur Erklärung:
Stellen Sie sich vor, Sie haben monatliche Ausgaben von 4.000 Euro, verdienen aber nur 2.000 Euro. Als Lösung nehmen Sie 2.000 Euro p.m. zusätzlichen Kredit auf, obwohl Sie schon mehr als das doppelte Jahreseinkommen an Schulden haben.
Klingt nicht gut, oder? Genau in dieser Situation ist Japan.
Griechenland ist mit 140% der jährlichen Wirtschaftsleistung verschuldet und wird als unrettbar bezeichnet. Die Asiaten weisen 240% auf und müssen nur 1% für die Staatsschulden bezahlen. Seltsam, oder?
Der Grund für die Differenz ist folgender: Die Japaner sind reich und kaufen der Regierung die neuen Staatsanleihen zu einem niedrigen Zins ab. Dadurch besteht (noch) keine Abhängigkeit vom internationalen Kapitalmarkt, der im Fall Griechenlands versiegt ist.
Der japanische Pensionsfonds ist der größte der Welt und investiert vor allem in die Anleihen des eigenen Staates. Aktuell wird dort überlegt, wegen der aggressiven Geldvermehrungsstrategie der Zentralbank weniger dieser Titel zu erwerben. Mittelfristig geht es aber ohnehin nicht anders: Japan hat die älteste Bevölkerung der Welt und die am schnellsten alternde. Somit wird immer mehr vom Pensionsfonds abgezogen und immer weniger eingezahlt.
Die Folge: Die Japaner können in Zukunft nicht mehr so viele eigene Staatstitel kaufen und sind auf Ausländer angewiesen. Diese aber werden erkennen, dass die riesigen Schulden niemals zurückgezahlt werden können. Das hat in diesem Umfang in der Menschheitsgeschichte noch nie ein Land geschafft.
Aus diesem Grund werden die ausländischen Gläubiger mittelfristig höhere Zinsen verlangen, z.B. 4% statt der aktuellen 1%. Dummerweise gibt Japan schon jetzt 25% des Budgets für Zinszahlungen aus. Sie können leicht ausrechnen, dass bei diesem Zinsanstieg nichts mehr von den Einnahmen übrigbleibt und das Land pleite ist.
Optimisten wenden ein, dass das reiche Land ja nur die Mehrwertsteuer erhöhen müsste und schon sei alles saniert. Eine Erhöhung im nötigen Ausmaß würde aber die Wirtschaft und damit auch die Steuereinnahmen stark einbrechen lassen und die Misere nicht wesentlich verbessern.
Der neue Premierminister hat sich nun eine “geniale” Idee einfallen lassen. Er versucht die Inflation zu erhöhen, lässt die Zentralbank fast unbegrenzt Yen drucken und senkt damit den Außenwert der Währung. Dadurch machen die Exporteure höhere Gewinne und etwa die Autobauer werden die deutsche Konkurrenz ins Schwitzen bringen. Ein künstlicher Boom wird erzeugt, die Aktien des Inselstaates steigen bereits massiv. Leider ist das eine kurzfristige, kreditfinanzierte Blasé, die in wenigen Jahren platzen wird. Lassen Sie sich also nicht von positiven Schlagzeilen in den Medien der nächsten 1 – 2 Jahre beirren.
Fazit: Ein Land mit schrumpfender Bevölkerung und 240% Schulden hat genau 2 Möglichkeiten: a) Staatsbankrott und Schuldenschnitt oder b) Hyperinflation. Es wird spannend, wofür sich die Japaner entscheiden werden.
Ausblick 2013
Michael Scherling am 2. Januar 2013
Der 2.Jänner eignet sich wunderbar, um ökonomische Prognosen für dieses Jahr zu erstellen.
Beginnen wir mit den Bereichen, die aus meiner Sicht sicher sind:
1. Spar- und Kreditzinsen bleiben tief. Hier fällt mir nicht einmal ein Szenario ein, das zu einer anderen Entwicklung führen könnte. Die Entschuldung Europas funktioniert nur mit dem aktuellen Zinsniveau, es ist alternativlos.
2. Die Inflation bleibt tief. Auch hier existiert kein Mechanismus, der 2013 zu hohen Raten führen könnte. Wie schon mehrfach beschrieben ist zwar die Geldmenge, die zwischen den Banken und der Zentralbank bzw. den Staaten im Umlauf ist, stark gestiegen, die im Wirtschaftskreislauf befindliche Geldmenge ist aber konstant. Erst wenn wieder massiv mehr Kredite an Unternehmen und Haushalte vergeben werden, droht Inflation. Davon sind wir sehr weit entfernt!
Die zweite Kategorie umfasst Prognosen mit immer noch hoher Eintrittswahrscheinlichkeit:
3. Es wird weiterhin keine Lösung für Griechenland geben. Auf Drängen der EU-Partner kam es zu Sparmaßnahmen, aber die Voraussetzungen für Wachstum wurden nicht geschaffen. Leider haben auch die europäischen Gläubiger der Hellenen nicht darauf bestanden, dass Reformen in Bereichen wie Bürokratie, Gesundheitswesen, Steuer- und Pensionssystem umgesetzt werden. Ohne Wachstum ist ein Entkommen aus der Schuldenspirale unmöglich.
4. Die Immobilienpreise in Österreich steigen 2013 kaum noch. Seit 2008 sind die Anleger massiv in Immobilien geflohen, was verstärkt durch niedrige Zinsen bei der Kreditaufnahme jährliche Preissteigerungen von über 5% ermöglicht hat. Wer aber hat jetzt noch Kapital und kauft zu den hohen Preisen? Die ersten Anleger werden Gewinne von fast 50% realisieren und verkaufen. Ein Preiseinbruch am österreichischen Immobilienmarkt ist allerdings nicht vorstellbar.
Kategorie 3 ist für Prognosen, deren Eintritt zwar fast sicher ist, durch Zentralbanken und Politiker aber verschoben werden kann:
5. Frankreich rückt in den Mittelpunkt der europäischen Schuldenkrise. Während Irland, Italien und Spanien Fortschritte machen, glauben die Franzosen immer noch nicht nur, dass sie die Chefs in Europa sind, sondern auch dass sie es nicht nötig haben, Reformen umzusetzen. Die Gesamtschulden sind höher als die der Italiener, der Staatsapparat gigantisch und unfinanzierbar und alle Defizite vergrößern sich. Zentralbank und Politik werden die Auswirkungen der Frankreich-Krise zumindest im Jahr 2013 aber noch in Grenzen halten können.
6. Den USA steht ein sehr hartes Jahr bevor. Bisher wurden die Altlasten durch neue Schulden zugedeckt, aber 2013 ist Zahltag. Die anstehenden Sparmaßnahmen werden kaum Wachstum erlauben. In diesem Zusammenhang ist erstaunlich, dass die Aktienmärkte rund 30% teurer sind als in Europa.
Fazit: Frohes neues Jahr!!!
Die Wende in der Eurokrise?
Michael Scherling am 22. Oktober 2012
Werfen wir zuerst einen Blick auf das Nicht-Euro-Land Grossbritannien: Ökonomisch steht es viel schlechter da, als Österreich, Deutschland oder auch Italien. Mit der Situation in Spanien gibt es starke Ähnlichkeiten (z.B. die vorangegangene Immobilienblase).
Wie oft haben Sie von der schlechten Lage in England gehört? Sicher nicht so oft wie von Spanien und Italien. Der eine Grund dafür ist, dass die Briten eine andere Währung haben, die sie abwerten können, um die Exporte zu verbilligen. Viel wesentlicher ist aber die andere Ursache: die Zentralbank!
Diese hat in unfassbarem Umfang Staatsanleihen gekauft und die Zinsen künstlich niedrig gehalten und wird das auch noch weitere Jahre tun.
Und jetzt zur Erklärung der Überschrift dieses Artikels: Genau das was die Briten seit 2008 machen, wird nun im Euroraum gestartet. Sowohl die Zentralbank als auch die Staaten haben kommuniziert, den Euro in jedem Fall zu erhalten, koste es was es wolle. Und glauben Sie mir: die Zentralbank ist dazu sehr viele Jahre in der Lage, sie hat ja das Monopol über den Euro.
Viele Probleme sind noch ungelöst: Die Lage in Frankreich schaut wie schon vor 2 Monaten beschrieben, sehr düster aus, die Banken stehen auf wackeligen Beinen und weder in Spanien noch in Griechenland ist ein Aufwärtstrend zu erkennen.
Dennoch bin ich deutlich optimistischer, dass ein Wendepunkt in der Eurokrise erreicht ist. Endlich gibt es ein beherztes und pragmatisches Eingreifen aller Entscheidungsträger. Staatsanleihekäufe, Rettungsfonds und tiefe Dauerzinsen verschaffen den Politikern die nötige Zeit, Reformen umzusetzen.
Was bedeutet das für Sie?
1. Glauben Sie keinen Euro-Untergangspropheten (mehr)!
2. Die neuen Entwicklungen bringen in den nächsten 3 Jahren noch keine höheren Inflationsraten, aber danach müssen wir wachsamer als bisher sein.
3. Wenn Sie Ihr Geld am Sparbuch lassen, wird die Kaufkraft ständig sinken, weil die Zinsen künstlich unter der Inflationsrate gehalten werden.
Fazit: Die Entscheidung ist gefallen: Sie als Sparer werden die aufgebauten Schulden zahlen müssen. Dafür brauchen Sie sich vor einem Eurozerfall nicht mehr zu fürchten!
Wie werden sich die Zinsen entwickeln?
Michael Scherling am 1. Oktober 2012
Für jeden von uns spielen Zinsen eine große Rolle, sei es als Spar- oder als Kreditzins. Es lohnt sich also, dieser Frage nachzugehen. Erfreulicherweise ist eine Prognose so einfach wie noch nie.
Wir befinden uns mitten in einer Phase der Entschuldung. Staaten und private Haushalte haben in den letzten Jahrzehnten zu viele Kredite aufgenommen und müssen diese, weil sie kein neues Geld mehr zu leistbaren Konditionen bekommen, reduzieren. Genau das ist ja der Grund für die aktuelle Krise.
In diesem Umfeld bleibt der Europäischen Zentralbank nichts übrig, als die Zinsen ganz tief zu belassen. Ansonsten wären Staatsbankrotte unvermeidlich und ein Zusammenbruch des Euro sehr wahrscheinlich. Die Frage ist also nicht, ob die Zinsen tief bleiben, sondern nur wie lange!
Auch diese Antwort ist grundsätzlich einfach zu geben: Bis die wesentlichsten Symptome der Schuldenkrise überwunden sind!
Was hat das nun für Auswirkungen?
1. Sie müssen sich damit abfinden, auf Sparbüchern, Bausparverträgen etc. weiterhin einen sehr niedrigen Ertrag zu bekommen. Nach Abzug von Inflation und Steuern wird die Verzinsung negativ bleiben, Sie verlieren also laufend Geld, weil die Kaufkraft Ihres Vermögens reduziert wird.
2. Als Kreditnehmer dürfen Sie sich freuen: wenn Sie ein variabel verzinsten Darlehen haben, werden Sie noch einige Zeit lang nur 1 – 2% bezahlen. So nebenbei: Kredite sind ein guter Inflationsschutz — derzeit haben Sie die Möglichkeit, einen Fixzins um etwa 3,5% auf 10 Jahre gesichert zu bekommen. Sollte die Inflation auf 5% steigen, sinkt Ihr Schuldenstand auch ohne Tilgung jährlich um 1,5%.
Die Kernfrage ist aber, wann die Zinsen wieder steigen. In den nächsten 3 Jahren ist das aus den obigen Gründen beinahe auszuschließen. Ob wir wie in Japan eine jahrzehntelange Niedrigzinsphase bekommen, ist noch nicht klar zu beantworten. Sollte sich die Situation in Europa z.B. nach 5 Jahren wieder normalisieren, das Wirtschaftswachstum anziehen und große Erfolge in der Schuldenbekämpfung erzielt worden sein, muss die Europäische Zentralbank die Geldmenge reduzieren, um nicht hohe Inflationsraten zu provozieren. Das tut sie unter anderem, indem sie die Zinsen anhebt.
Fazit: Noch gibt es keinerlei Anzeichen für Zinserhöhungen. Sobald diese erkennbar werden, informiere ich Sie schnellstmöglich, weil es massive Auswirkungen auf Kredite, Geldanlagen und Pensionen gibt!
Die verrückten Franzosen
Michael Scherling am 31. August 2012
Schon unter Sarkozy waren die Franzosen nicht für Reformen und Sparsamkeit bekannt, sondern vielmehr für die Förderung des Gelddruckens durch die Europäische Zentralbank und das Verschieben (v.a. deutscher) Gelder nach Griechenland. Kein Wunder: ohne diese Hilfen wären wohl mehrere französische Banken zusammengebrochen, die zu viele Kredite an die Hellenen vergeben hatten.
Was aber jetzt im Gange ist, kann nur als “verrückt” bezeichnet werden, vor allem aber ist es gefährlich für den gesamten Euro-Raum.
Zählt man die Schulden von Unternehmen, Banken, Staat und den Privaten zusammen, hat Frankreich schon jetzt weit höhere Verbindlichkeiten als Italien. Während in Portugal, Spanien und Italien die ersten Reformmaßnahmen bereits zu wirken beginnen, geht in Frankreich alles in die falsche Richtung.
Präsident Hollande hat gleich nach Amtsantritt das Verringern der Schulden verschoben. Das Kündigungsrecht wurde verschärft, was wie im August-Artikel beschrieben zu höherer Arbeitslosigkeit, niedrigeren Staatseinnahmen und weniger Wirtschaftswachstum führt.
Fassungslos macht, dass das Renteneintrittsalter von 62 auf 60 vorverlegt wurde. Das führt längerfristig in den sicheren Staatsbankrott und lässt die junge Generation noch chancenloser werden.
Inzwischen verschlechtern sich fast alle ökonomischen Zahlen in Frankreich. Das erklärt auch, warum Hollande so dringend Eurobonds haben will, die von uns allen bezahlt werden: Wenn sich nichts ändert, ist Frankreich nämlich das nächste Griechenland!
Warum ist das für uns gefährlich?
- Frankreich hat gemeinsam mit den Mittelmeerländern eine Mehrheit in der Europäischen Zentralbank und kann hier Übles anrichten.
- Frankreich ist zu groß, um aufgefangen zu werden: ohne Änderung des aktuellen Kurses ist es mit dem Euro in der derzeitigen Form vorbei.
Fazit: Kommt es in Frankreich nicht zu einem radikalen Kurswechsel, der unter den Sozialisten schwer vorstellbar ist, müssen wir uns ernsthafte Sorgen um unser Vermögen machen. Ein Zusammenbruch steht zwar nicht unmittelbar bevor, weil die Europäische Zentralbank diesen einige Zeit aufhalten kann. Dennoch ist es nötig, die Lage in Frankreich genau zu beobachten.
Die wahren Verursacher der Schuldenkrise!
Michael Scherling am 31. Juli 2012
Erfreulicherweise ist inzwischen unbestritten, daß Wirtschaftswachstum einer der wichtigsten Wege ist, um die schwierige Situation in Europa und den USA zu überwinden. Leider ist die Schlussfolgerung daraus fast immer falsch:
Zusätzliche Staatsausgaben sollen die Konjunktur ankurbeln.
Aus Sicht der Politiker ist das verständlich: sie erhalten durch eine solche Ausweitung des Staatsapparats mehr Macht und Rechtfertigung und können dem einfachen Bürger einreden, daß sie ja ohnehin so viel getan hätten. Leider erhöht diese Vorgehensweise nur die Schulden und bringt kein nachhaltiges Wachstum. Japan macht es seit 20 Jahren vor: Brücken werden auf unbewohnte Inseln gebaut und die Japaner sind inzwischen das am stärksten überschuldete Volk der Welt.
Was bringt also nachhaltiges Wachstum?
Ganz einfach: Entweder es wird in gleicher Zeit mehr hergestellt (Erhöhung der Produktivität) oder mehr Menschen arbeiten!
Überall wird über die Arbeitslosenquoten geschrieben, interessanter sind die Erwerbsquoten: In der Schweiz gehen 80% der erwerbsfähigen Bevölkerung einer bezahlten Beschäftigung nach. In Spanien 58,8% und in Griechenland nur 55,6%.
Wer ist dafür verantwortlich?
Langjährige Forschungsarbeiten zeigen, daß die Regulierung des Arbeitsmarktes die Hauptursache für diese Unterschiede ist. Dabei geht es immer um die Frage, wie interessant es für Unternehmen ist, jemanden anzustellen.
In den südlichen Ländern haben die Gewerkschaften durchgesetzt, daß ein Arbeitnehmer fast unkündbar ist. In Italien muss ein Unternehmen jahrelang vor Gericht, wenn ein Mitarbeitervertrag gelöst wird, in Spanien ist nicht einmal das möglich.
Wenn ich als Unternehmer aber in Konkurs gehen muss, bevor ich jemanden kündigen kann, dann stelle ich erst gar niemanden ein!!!
Damit steigt die Arbeitslosigkeit und die Erwerbsquote sinkt. Weniger Wirtschaftswachstum und höhere Schulden sind die Folge.
Verantwortlich dafür sind die Gewerkschaften, die gerade in den südlichen Ländern sehr stark sind, und die nötigen Reformen durch die engen Bande zur Politik verhindern.
Es gibt aber ein positives Beispiel: Deutschland: Hier war der Kündigungsschutz sehr stark, wurde aber unter Kanzler Schröder gelockert. Die Folge: Die Erwerbsquote stieg von 65% auf 73%, die Arbeitslosenquote sank stark und das Wirtschaftswachstum stieg.
Ein gut funktionierender Arbeitsmarkt ohne Kündigungsschutz führt nicht zu unzureichendem Schutz der Arbeitnehmer. Oder würden Sie die Schweiz oder Deutschland als Hort der sozialen Kälte ansehen? Für mich ist soziale Kälte eine Arbeitslosenquote von 20% wie in Spanien oder Griechenland. Nachdem Arbeitslose nicht von der Gewerkschaft vertreten werden, sind sie dieser offensichtlich egal.
Fazit: Politiker kaufen das Wahlvolk mit sinnlosen Staatsausgaben und Gewerkschaften ruinieren die südlichen Länder mit wachstumsfeindlichem Arbeitsrecht. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt, daß diese grosse Krise zu einem Umdenken führt. Erste Fortschritte gibt es bereits.
Fremdwährungskredite
Michael Scherling am 26. Juni 2012
Gleich nach dem Thema “Inflation” bekomme ich die zweitmeisten Anfragen zu Finanzierungen in Schweizer Franken. Aus diesem Grund möchte ich eine Zusammenfassung aus aktueller Sicht bieten.
Man muss ins Jahr 1978 zurückgehen, um einen Kursanstieg des Schweizer Frankens zur D‑Mark um 25% zu sehen. Wegen der engen Verflechtung der Wirtschaftsräume ging man davon aus, daß ein von Eurostaaten umrundetes Land eine eng korrelierende Währung hat.
Weit nach Ausbruch der Finanzkrise, nämlich Mitte 2009, wurden die renommiertesten Experten aller grossen Schweizer Banken nach einer Kursprognose für 2010 gefragt. Ergebnis: alle Schätzungen bewegten sich zwischen 1,45 und 1,55. Tatsächlich war der Tiefpunkt 2010 bei 1,25 und 2011 bei fast 1,0!
Das “worst case” — Szenario ist also tatsächlich eingetreten. Also starten wir gleich mit einer ebensolchen Zukunft:
Zerfall der Eurozone:
Fällt die Eurozone auseinander, wird Österreich zu einem neuen Währungsraum mit starken Ländern gehören (Deutschland, Finnland, Niederlande ‚..). Dann sind sogar Kurse um 1,6 wieder denkbar. Das Extremszenario ist also für Kreditnehmer in Franken nicht wirklich erschreckend. Zwischenzeitliche Turbulenzen können natürlich auftreten.
Unveränderte Eurokonstellation:
Viel schlimmer ist ein “Weiterwursteln” wie bisher. Die Politiker haben durch 30 Jahre Schuldenmachen die aktuelle Krise ausgelöst (und schieben es “bösen Spekulanten” in die Schuhe, was wirklich Unsinn ist). Derzeit sehe ich keine Tendenz, daß Politiker einsichtig geworden sind. In Frankreich etwa geht alles in die komplett falsche Richtung: Die Schulden werden nicht reduziert und Reformen sogar zurückgenommen! Es lebe der kurzsichtige Populismus .…
Gut, daß es eine Schweizer Nationalbank gibt. Jede Zentralbank lebt ausschliesslich davon, daß ihr vertraut wird. Wenn sich die Eidgenossen vom Mindestkurs von 1,2 abbringen lassen, wäre für die nächsten 50 Jahre jedes Vertrauen weg. Deshalb gehen alle Fachleute davon aus, daß diese Grenze hält. Technisch ist das kaum ein Problem: Die Nationalbank hat ja das Monopol auf Franken und kann theoretisch unbegrenzt Franken ausgeben und ihn damit abschwächen.
Was tun?
Ohne Finanzkrise würden Kreditnehmer gegen 4% Zinsen zahlen, derzeit nur rund 1%. Meine dringende Empfehlung: Legen Sie die 3% Ersparnis an!!! Wenn Sie also 100.000 Euro Fremdwährungkredit haben, legen Sie zusätzlich zu den aktuellen Zahlungen 3.000 Euro pro Jahr zur Seite (ohne Finanzkrise müssten Sie die ja auch zahlen können).
Dann haben Sie nach z.B. 15 Jahren rund 55.000 Euro beisammen und steigen vielleicht sogar mit Gewinn aus. Zwischenzeitliche Sondertilgungen bei gutem Kurs sind natürlich zusätzlich sinnvoll.
Fazit: 100%ige Sicherheit gibt es bei Währungen nie. Dennoch sollten Franken-Kreditnehmer aktiv werden.
Die armen Spanier
Michael Scherling am 3. Mai 2012
Trotz einiger positiver Entwicklungen, die der Euro gebracht hat, gibt es auch sehr negative Konsequenzen. Eine davon sieht man in Spanien:
Vor der Euroeinführung zahlten die Spanier zwischen 6 und 10% für Kredite, danach 3 – 5%, was zu einer übermässigen Verschuldung führte. Immobilien auf Pump zu kaufen entwickelte sich zum Volkssport. Der Zementverbrauch stieg um 250% (um jetzt wieder um 80% zu sinken).
Die Immobilienpreise sind seit dem Höhepunkt um rund 30% gefallen, was zwar schon schlimm ist, aber es kommt noch ärger: egal mit welchen Experten man spricht, jeder geht von einem weiteren Preisverfall von rund 20 – 30% aus. Viele Spanier konnten ihre Wohnungen und Häuser bisher nicht verkaufen, weil sie illegal errichtet oder mit Schwarzgeld finanziert wurden oder weil weit und breit kein Käufer zu finden ist. Schrumpft die Wirtschaft weiter, müssen auch diese Immobilien (zwangs-)verkauft werden, was die Preise weiter sinken lässt.
So wie auch Grossbritannien hat Spanien kein funktionierendes Wirtschaftsmodell mehr. 25% der Bevölkerung ist arbeitslos (50% der Jugendlichen!).
Weil eine Abwertung der Währung als Ausweg nicht offensteht, müssen Preise und Löhne um rund 20% fallen, um wieder international wettbewerbsfähig zu werden. Wie man in Griechenland sieht, funktioniert das in der Praxis nicht.
Ohne mutige Schritte ist Spanien in spätestens 3 Jahren bankrott und gefährdet unsere gemeinsame Währung.
In den nächsten Jahren werden viele Spanier auswandern, weil die Perspektive im eigenen Land fehlt. Das ist allerdings keine neue Entwicklung: Im 19.Jahrhundert wanderten jahrzehntelang 10% der Bevölkerung aus vielen Ländern aus (Irland, Schweden, Deuschland, …).
Positiv zu vermerken ist:
1. vor der Krise hatten die Spanier fast keine Staatsschulden
2. die Europäische Zentralbank hat viel Geld zur Verfügung gestellt und damit Zeit erkauft
Aber: Anders als Italien oder Japan ist Spanien nicht vorrangig bei den eigenen Bürgern verschuldet, sondern im Ausland:
Die private und öffentliche Auslandsverschuldung ist grösser als die von Griechenland, Portugal, Irland und Italien zusammen!
Die Lösung des Dilemmas besteht aus 2 Aktionen:
1. Die Europäische Zentralbank muss massiv spanische Staatsanleihen kaufen, um den Spaniern die notwendige Zeit zu geben, um ein zukunftfähiges Wirtschaftsmodell aufzubauen.
2. Ein gewaltiges europäisches Investitionsprogramm muss schnellstmöglich gestartet werden. So wie Griechenland in seine Häfen, Landwirtschaft und Tourismus investieren sollte, so müsste man auch in Spanien vorgehen: in die Stärken des Landes investieren!
Woher soll das Geld kommen? Im Wesentlichen aus EU-Krediten, egal wie das zuständige Instrument genannt wird. Ökonomische Studien zeigen, daß Kredite in diesem Fall nicht nur der einzige Weg sind, sondern auch langfristigen Nutzen für ganz Europa schaffen.
Fazit: Die europäischen Politiker und Zentralbanker müssen visionär und entschlossen handeln, um ein Zusammenbrechen Spaniens zu verhindern. Wenn Menschen vor dem Abgrund stehen, sind sie zu gewaltigen Taten bereit — die Rettung Spaniens ist möglich!
Die konkrete Lösung der Eurokrise
Michael Scherling am 1. Januar 2012
Schon meine Geschichte-Professorin in der AHS hat richtig festgehalten, daß die Menschheit immer erst dann Lösungen findet, wenn sie vor dem Abgrund steht. Genau dort befinden wir uns derzeit.
Obwohl es in den letzten Monaten bereits grosse Fortschritte gab (v.a. die neuen ökonomisch vernüftigen Regierungen in den Problemstaaten), scheint eine Lösung der Krise ja noch nicht in Sicht zu sein. Ich bin anderer Meinung, denn “nur” die folgenden drei Dinge müssen gemacht werden:
A: Staatsausgaben senken
B: Wachstum fördern
C: Verstärktes Eingreifen der Europäische Zentralbank
Klingt alles viel zu einfach, deshalb hier die Erklärungen:
A: Mit Ausnahme von Extremistenparteien haben sogar die Politiker erkannt, daß Sparen notwendig ist.
B: Viel zu wenig wird das Thema “Wachstum fördern” berücksichtigt,was schade ist, denn in Griechenland ist zu erkennen, daß Sparen alleine zu wenig ist. Dadurch entsteht nämlich eine gefährliche Abwärtsspirale (mehr Arbeitslose, weniger Einkommen, mehr Konkurse — damit sinkende Steuereinnahmen), die schwer zu stoppen ist. Aus Mitteln der EU müssten Zukunftsinvestitionen gefördert werden, in Griechenland etwa Bildung, Landwirtschaft, Seehäfen und Tourismusinfrastruktur.
C: Grossbritannien steht genauso schlecht da wie Spanien, zahlt aber nur halb so hohe Zinsen für die Staatsschulden. Warum? Ganz einfach, die britische Nationalbank kauft so viele Anleihen wie nötig und hat dabei einen simplen Deal mit der Regierung gemacht: “Ihr spart und wir verschaffen euch Zeit, indem wir euch das Defizit finanzieren”.
Die Europäische Zentralbank kann ebenso mit einer einzigen Ankündigung die Eskalation der Eurokrise sofort lösen: “Fixierung der Staatsanleihenzinsen auf maximal 4 – 5%”.
Warum tut sie das nicht? Weil sie genau weiss daß dann die Sarkozys und Berlusconis dieser Welt die Oberhand gewinnen, alle Sparanstrengungen stoppen und uns damit wirklich in den Ruin treiben. Deshalb reichen nicht die Ankündigungen von Reformen und Sparmassnahmen, sondern sie müssen auch umgesetzt sein.
Leider sind diese Massnahmen (Erhöhung des Pensionsalters, Kündigungsschutz lockern, Ausbildung verbessern, Bürokratie abbauen etc.) sehr zeitaufwändig. Das Jahr 2012 wird wohl zur Gänze dafür verwendet werden müssen.
Fazit: Ende 2012 wird die konkrete Lösung der Eurokrise klar sein, rechnen Sie bis dahin mit Unruhe, aber lassen Sie sich von den zahlreichen Untergangspropheten nichts einreden. Diese liegen wie immer falsch.